Rosenherz-berbKopie
sagte Grüter. «Ein Mitarbeiter des Friedhofs hat dort
heute Morgen die Leiche eines Mannes gefunden. Es ist Bruno
Kürten. Ihm wurde der Schädel zertrümmert, wahrscheinlich mit
einer Flasche. Soviel ich gehört habe, geht die Polizei im Moment
von einem Streit unter Obdachlosen aus.»
Marthaler
ging ins Wohnzimmer und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Er wusste
nicht, was er sagen sollte. Sofort bekam er Schuldgefühle. Statt
weiter nach dem kleinen Bruno zu suchen, hatte er sich mit der
Information zufriedengegeben, die dieser auf seinem Zettel in der
Tagesstätte hinterlassen hatte. Keinen Moment hatte Marthaler den
Versuch unternommen, den Mann vor seinen Verfolgern zu schützen.
«Was
für ein Mist!», stieß er hervor. «Was für ein gigantischer
Mist!»
«Gut»,
sagte Grüter. «Ich glaube Ihnen, dass Sie keine Ahnung hatten, und
ich werde ...»
«Es
ist mir scheißegal, was Sie glauben und was Sie tun werden, Grüter
...»
«Ich
wollte nur sagen: Ich werde Sie dann erst mal nicht weiter
behelligen.»
Marthaler
hielt den Hörer noch in der Hand, als der Chefreporter des City-Express längst
aufgelegt hatte.
Anna
stand in der Balkontür. «Dann weißt du es also schon?», sagte
sie. Marthaler sah sie fragend an. «Wenn es um diesen Urnentempel
ging, kann das nur heißen: Du weißt jetzt, dass der kleine Bruno
tot ist.»
Sie
erzählte ihm, was am Morgen geschehen war.
«Bist
du auf dem Friedhof gesehen worden?», fragte Marthaler.
Anna
hob die Schultern. «Ein Mann ist dort herumgeschlichen. Ich
hatte das Gefühl, dass er mich beobachtet. Als ich das Mausoleum
verlassen wollte, stand er plötzlich über mir und hat mich
angeschaut. Ob er etwas mit dem Tod von Bruno Kürten zu tun hat,
weiß ich nicht.»
Marthaler
wollte ihr Vorhaltungen machen, aber sie ließ ihn nicht zu Wort
kommen: «Ja, ja, ja!», sagte sie. «Ja, ich habe mich nicht an
deine Befehle gehalten. Ja, ich habe eigenmächtig gehandelt.
Aber weißt du was: Scheiß drauf! Wenn ich es nicht getan hätte,
wären wir noch immer keinen Schritt weiter. Du hast nämlich noch
deinen Rausch ausgeschlafen, als ich schon zwischen den Urnen
herumgekrochen bin und mein Ohr an den Mund eines Sterbenden gedrückt
habe. Der kleine Bruno hat vor seinem Tod noch etwas gesagt. Ich
verstehe nicht, was er damit meinte, aber es muss etwas zu bedeuten
haben.»
Sie
schaute Marthaler an und wartete auf eine Reaktion.
«Anna,
bitte! Spann mich nicht auf die Folter!»
«Du
willst also eine Information haben, an die ich durch eine Maßnahme
gelangt bin, die von dir nicht abgesegnet wurde.»
«Anna,
verdammt!»
«Ich
will nur verhindern, dass du mir weitere Vorwürfe machst. Ich will,
dass du mich ernst nimmst. Ich bin nämlich nicht nur ein etwas
molliges, sondern auch ein ziemlich großes Mädchen. Und,
Robert: Ich weiß, was ich tue!»
«Welcher
Film?», fragte er.
«Kein
Film!», erwiderte sie. «O-Ton Anna!»
«Gut,
ich habe verstanden», sagte er und wedelte mit der Hand zum Zeichen,
dass sie fortfahren solle.
«Der
kleine Bruno hat von Bildern gesprochen. Er sagte: Rosenherz - es ging um die Bilder.> Es war das Letzte, was er
gesagt hat, dann ist er gestorben. Vielleicht kannst du etwas damit
anfangen?»
Marthaler
überlegte lange. «Das Paradiesgärtlein, das
bei dem Überfall im Stadtwald geraubt wurde, ist ein Bild. Bruno
Kürten behauptet, dass die beiden Fälle miteinander zu tun haben.
Wieso es bei Karin Rosenherz um Bilder gegangen sein soll, weiß ich
nicht. Wir müssen es bei unseren weiteren Ermittlungen im Kopf
behalten.»
Anna
drückte auf den Startknopf ihres MacBook, nahm den dicken Filzstift
vom Tisch, ging zur Wohnzimmerwand und zeigte auf die Namen, die
Marthaler in der Nacht, als er die Akte studiert hatte, auf das
Ausstellungsplakat geschrieben hatte.
«Robert,
entschuldige, aber die Namen, die du hier notiert hast, sind einfach
Bullshit. Diese Männer sind entlastet. Sie hatten nichts mit dem
Mord an Karin Rosenherz zu tun. Frag jetzt nicht, sondern glaub mir
einfach, dass ich die Akte besser kenne als du!»
Sie
strich alle fünf Namen durch. Stattdessen schrieb sie: «Es
ging um die Bilder» (Bruno Kürten). Welche Bilder?
Sie
ging an ihr MacBook und tippte etwas ein. «Robert, sei so gut: In
Band I der Akte im ersten Karton findest du ein Exemplar des
Phantombildes, das die Polizei veröffentlicht hat. Such es bitte
raus und bring es mir. Und wenn du in deinem Chaos ein paar
Reißzwecken ausfindig machen
Weitere Kostenlose Bücher