Rosenmunds Tod
leuchteten ihm zwei dunkle Augen entgegen; die waren aber auch das Einzige, was an ihm halbwegs attraktiv war. Beide Wangen waren von Pickeln überflutet, an seinem Kinn leuchtete die Haut knallrot. Die Schultern blühten ebenfalls, die Hautunreinheiten erstreckten sich bis auf die Oberarme. Vorgestern hatte er sich mal wieder auf die Waage getraut. Einhundertachtzehn Kilo, bei gerade mal eins fünfundsiebzig Körpergröße. Wie hatte eine der blonden Schönheiten aus der Jahrgangsstufe unter ihm gesagt? Quadratisch, praktisch und trotzdem nicht gut.
Basti seufzte. Er hatte sich damit abgefunden, dass sich seine Attraktivität für das weibliche Geschlecht in sehr engen Grenzen hielt. Irgendwann würde er eine strenge Diät machen und seine Akne behandeln lassen müssen.
Mit einer Dose Cola und den unvermeidlichen Gummibärchen bewaffnet, pflanzte er sich endlich vor den Computer. Noch während das Gerät hochfuhr, legte er die erste der geliehenen DVDs und einen Rohling ein. Er war sehr gespannt. Angeblich handelte es sich bei dem Inhalt der Silberscheiben um interaktive Pornos. So etwas hatte er noch nie gesehen.
Er startete sein DVD-Ripp-Programm, und während die Software ihre Arbeit aufnahm, aktivierte er den Internetzugang.
Zwölf E-Mails warteten auf ihn. Bei dreien handelte es sich um unwichtige Werbemails, die sofort im Papierkorb landeten, drei weitere stammten von seinem Kumpel Tom, der ihm eine Übersicht über die zuletzt geknackten Paysites und die Codes zuschickte. Vier Mails waren Reaktionen auf seine Antworten auf Kontaktanzeigen bei einschlägig bekannten Anbietern. Aber schon an den übermittelten E-Mail-Absendern erkannte Basti, dass es sich lediglich wieder um die Versuche handelte, ihn zu einem Anruf bei einer 0190er-Nummer zu bewegen. Gelangweilt schaute er die Mails trotzdem an und beförderte sie anschließend in den Müll. Nur die beiden letzten Mails versprachen wirklich interessant zu werden.
Doch die erste war eine Enttäuschung. Offensichtlich hatte sich die Absenderin beim Eingeben der Adresse vertippt.
Erstens wohnte er nicht in Magdeburg, zweitens kannte er niemanden mit dem Namen Katja und drittens hieß er selbst nicht Klaus-Uwe.
Gefrustet prüfte er kurz, ob sein Programm die geliehene DVD bereits geknackt hatte, dann klickte er die letzte Mail an.
Zwei, drei Sekunden brauchte er, um sich zu erinnern, dann ging ihm ein Licht auf. Das war von der Kleinen aus Bochum, die er vor ein paar Tagen im Chat getroffen hatte. Natürlich hatte er ihr noch am selben Abend seine als Entwurf gespeicherte Standardmail mit einigen schwülstigen Sprüchen geschickt und ›sein‹ Foto beigefügt. Aber selbstverständlich zeigte das Bild nicht ihn, Basti hatte es irgendwann mal aus dem Internet runtergeladen. Der Typ sah sympathisch aus, war aber nicht übertrieben gut aussehend. Ging als guter Durchschnitt durch, der nette Junge von nebenan.
Noch viel stolzer als auf die Idee, das Foto eines anderen als seines auszugeben, war Basti aber auf den in das Bild eingebauten Trojaner. Jede Person, der er das Bild zuschickte und die es öffnete, lieferte sich ihm bzw. seinem Computer bedingungslos aus.
Basti überflog die Mail von Rosenmund, bis er auf den Satz stieß, auf den er gewartet hatte. Sie hatte das Bild geöffnet, denn sie schrieb ihm, dass er sehr nett aussehen würde.
»Strike«, murmelte er und startete ein weiteres Programm.
Ihm fehlte jegliches Unrechtsbewusstsein, hätte ihm jemand gesagt, er beginge eine Straftat, Basti hätte nur laut gelacht. Jeder Internetbenutzer musste sich darüber im Klaren sein, wie groß das Risiko war, an einen Hacker zu geraten und ausspioniert zu werden. Gegen derartige Aktionen konnte man sich schützen; wer das nicht tat, lud ja förmlich zur Festplattenbesichtigung ein.
Seinen besten Coup in Bezug auf Frauen hatte er vor einem halben Jahr gelandet. Da war er auf eine Hobbynutte aus Stralsund gestoßen und hatte heiße Mails mit ihr getauscht. Auf ihrer Festplatte waren Unmengen von Bildern gespeichert, Basti hatte sich aus dem Material eine komplette CD brennen können. Aber solche Glückstreffer waren leider äußerst rar.
Sein Sexualleben bestand bisher ausschließlich aus solider Handarbeit. Hätte er nicht seinen Computer und das Internet zur Verfügung gehabt. Klar, natürlich gab es hilfreiche Bildchen und Filme, aber das Netz war realer, insbesondere diese privaten Bildersammlungen. Der Kick war ein ganz anderer.
In einem Fenster auf
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