Rosenpsychosen
noch heut als Philosoph und sie als böse Frau.‹ Originell, oder? Und komisch – oder auch nicht, kommt darauf an, wie man gestrickt ist. Man möchte wissen, wie Alice Schwarzer dazu stünde. Oder? Interessiert Sie das nicht? Na, egal.«
»Nun ja, mich interessiert eine Menge, aber im Moment interessieren Sie mich mehr als Brecht und Alice Schwarzer. Wie geht es Ihnen heute, jetzt in diesem Augenblick? Sagen Sie es mir! Was fühlen Sie?«
Ja, das willst du gerne wissen. Die Frage ist, was du hören möchtest. Dass ich mich unheimlich geborgen hier fühle und sehr gern über meine restlichen Gefühle sprechen möchte. Das ist ein Trick, du fiese Schnalle. Aber dafür musst du dir schon andere Kundschaft suchen.
»Och, gut, danke.«
Gut, auf Anfang.
»Sind Sie eigentlich selbst auf die Idee gekommen, zurPsychotherapie zu gehen, oder hat es Ihnen jemand geraten?«
Fünf Wochen Bodensee, ich mach das. Richtig gut gehen lasse ich es mir. Und Moritz wird aufblühen.
Worauf zielt denn diese Frage ab? Ist doch vollkommen belanglos, wer mich auf die Idee gebracht hat. Na bitte, hier hast du was:
»Ich bin selbst auf die Idee gekommen. Das heißt, mein Mann hat sie zuerst geäußert. Aber ich habe diese Idee natürlich schon lange vorher mit mir herumgetragen, nur eben ohne sie zu verbalisieren oder gar in die Tat umzusetzen. Wenn man kleinlich wäre, könnte man jetzt also sagen, mein Mann hatte die Idee. Aber ich bin nicht kleinlich. Um Ihre Frage abschließend zu beantworten: Es war meine Idee.«
»Ihr Mann, wie heißt er eigentlich? Und dann wäre es schön, wenn Sie hier namentlich von ihm sprächen und ihn nicht mit ›mein Mann‹ betiteln würden.«
»Martin heißt er, mein Mann. Also, es war nicht die Idee meines … Martins.«
Eigentlich könnten wir uns auch ein paar Witze erzählen, um die Sache aufzulockern. Aber meine versauten Witze willst du bestimmt nicht hören, obwohl ich ein paar richtig gute kenne. Du bist ja eine Heilige, du mit deinem Müslifresserfreund. Bestimmt habt ihr einmal im Monat Sex, der von Zuneigung und Verständnis getragen wird. Oder ihr habt am besten gar keinen, damit ihr nicht abgelenkt werdet von euren Kirschkernkissen und eurer Lektüre. Ihr lest gemeinsam Freud oder Heidegger oder so ’n Mist, garantiert. Wenn ich dir den Witz von der Stewardessenhölle erzählen würde, dann wärst du platt. Ach, du würdest ihn gar nicht verstehen,mit mindestens drei Wörtern könntest du überhaupt nichts anfangen. So was von gar nichts. Und genau deswegen bist du auch so ein Aggressor.
»Und warum hat Martin diesen Gedanken geäußert?«
»Welchen Gedanken?«
»Sie zur Psychotherapie zu schicken.«
»Na, warum wohl. Bestimmt nicht, weil er dachte, ich bräuchte keine Psychotherapie. Er wird sich wohl überlegt haben, dass mir das irgendwie helfen könnte.«
Aha, werden wir langsam frech. Na gut.
»Helfen – wobei?«
Du sagst mir heute, warum du hier bist. Starre ruhig aus dem Fenster, das halte ich lange aus.
»Na – beim Leben?«
Gott, ist das lächerlich. Beim Leben helfen. Den Zwergindianern in Kolumbien hilft auch keiner beim Leben. Ich bin so ein Waschlappen, kann nicht mal ohne Hilfe leben. Oder bin ich eine Waschläppin? Was Alice Schwarzer jetzt wohl sagen würde? Liebe Waschläppinnen, wir haben uns heute hier zusammengefunden, um …
»Brauchen Sie Hilfe beim Leben? Warum?«
Sie friert schon wieder wie ein nacktes Huhn.
»Ich dachte, Sie wüssten, warum Leute zur Psychotherapie gehen. Ich meine, wenn Sie das nicht wissen, wer dann? Fredi vielleicht, ja, Fredi vom Markt?«
Na, das bringt uns doch ein ganzes Stück weiter.
»So. Ich glaube, wir drehen uns im Kreis, wenn wir so weitermachen.Selbstverständlich weiß ich, warum Menschen zur Psychotherapie gehen. In der Regel sind es Ängste, die dazu führen, dass Menschen keine Luft mehr bekommen und dann Probleme haben, ein ganz normales Leben zu führen.«
Wenigstens sehen wir uns jetzt mal an.
»Aber sehen Sie, es gibt die verschiedensten Ursachen für diese Ängste. In der Psychotherapie versuchen wir, den Kern des Problems Schritt für Schritt einzukreisen. Diese schrittweise Einkreisung kann allerdings nur funktionieren, wenn die Patientin oder der Patient dies auch wirklich will. Sie können sich das in etwa vorstellen wie den Querschnitt eines Baumsta-«
»Schrittweise ist ein Adverb, und Adverbien können auch von Ihnen nicht gebeugt werden.«
»Stopp! Sie mögen recht haben, aber ich habe keine
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