Rosenpsychosen
für ein schönes Kleid eigentlich. Wenn man es einen Meter kürzen, enger machen und die Ärmel abschneiden würde. Ich sprenge alles in die Luft, und am besten mich gleich mit. Welche Funktion so eine bescheuerte Bauchspeicheldrüse wohl hat?
»Schickes Kleid haben Sie an, wirklich.«
Verdammt noch mal, jetzt fängt sie gleich an zu heulen. Und dabei strahlt sie immer noch. Okay, durchatmen.
»Sollte irgendetwas sein, dann rufen Sie mich an. Und Sie wissen ja, wo Sie mich finden.«
»Bestimmt. Wiedersehen.«
8
Marie findet Katzen etwas zu schlicht, Freundinnen aber
toll, und hat nicht mehr alle Latten am Zaun
Eine halbe Minute lang stand Marie vor dem Haus, dessen sie soeben verwiesen worden war, und sah von Ferne dem Treiben auf dem Markt zu. Sie wollte heulen, wusste aber nicht, ob das angebracht war, und ließ es sein. Sie selbst hatte entschieden, diese unselige Sache zu beenden – die Psychotherapeutin hatte es lediglich ausgesprochen. Es war gut so. Eine Therapie war etwas für Gothics, die jemanden zum Quatschen brauchten, nichts für sie. Ungeschehen konnte eine Therapie nichts machen, was sollte man also erwarten. Alles war gut.
Sie setzte ihre Sonnenbrille auf, startete den Wagen und fuhr in Richtung Vorstadt, wo ihre Freundinnen bereits in Tines Garten auf sie warteten. Einmal pro Woche wurde durchgehechelt, was die Gazetten auf ihren Lifestyle-Seiten hergegeben hatten. Einiges wusste man sogar schon vor den bunten Blättern, denn die Gegend wimmelte nur so von Blitzlichtgrößen.
Als Marie an den Gartentisch trat und sich auf die Lehne des weiß bezogenen Gartensofas setzte, einigten sich ihre Freundinnen gerade darauf, dass Nadines Brüste vor der OP eigentlich besser ausgesehen hätten, was Marie nicht bestätigen konnte, da sie Nadine lange nicht gesehen hatte. Sie sollte Rechenschaft darüber ablegen, wo sie denn gewesen sei – nun habe man schon ohne sie mit dem Pernod anfangenmüssen. Arzttermin, sagte Marie und zündete sich ein Zigarillo an. Sie habe gedacht, etwas am Kopf zu haben, es sei aber nichts, kein nennenswerter Befund.
War das Wichtigste abgearbeitet, ging man zu den Kindern über, von denen die Hälfte ADS hatte, danach zu den Männern. Halbherzig wurden Beschwerden aller Art vorgebracht. Einer arbeitete zu viel und zu lange, war praktisch nie, ein anderer zu oft zu Hause, der nächste war gezwungen, fünfzig Leute zu entlassen, womit man aber schon irgendwie zurechtkam. Ein Autohausbesitzer bekam seit Monaten keinen mehr hoch, ein Banker wollte zweimal am Tag, was anstrengend war, und ein Chefchirurg stand im Verdacht, seiner Sekretärin ein Volvo Cabriolet gekauft zu haben, was einige Empörung hervorrief, dem schönen Nachmittag aber keinen ernstlichen Abbruch tat. Als Marie an der Reihe war, sagte sie wahrheitsgemäß, Martin bekomme immer einen hoch, wenn sie nur mit der Wimper zucke, dass sie jedoch höchst selten mit der Wimper zucke. Und dass er in den Puff gehen solle, wenn ihm das nicht passe, was er aber wohl nicht tue. Überhaupt, im Moment gebe es andere Probleme.
Das Wort »Problem« war das beliebteste in dieser Runde. Es wurde äußerst selten gebraucht und war ein Garant dafür, beim Plaudern nicht in Mittelmäßigkeit zu verfallen. »Wir sind pleite. Ich kann jetzt entscheiden, ob ich den Kindern was zu essen kaufe oder mir Chanel N°5. Nicht ein Projekt seit einem halben Jahr. Ich suche eine Wohnung. So ein Mist. Wenn ihr was hört, sagt mir Bescheid. Vielleicht wird ja ein Plätzchen unter einer schmucken Brücke frei, muss aber provisionsfrei sein. Und hetzt mir ja nicht die Tussen von Folk & Angel auf den Hals. ’tschuldige, Britta, nichts gegen dich.«
Oh, mein Gott, zirpte es empathisch und irgendwie gierig durch die Sommerfrische.
Gegen Mitternacht fuhr Marie in die Auffahrt. Die Katze lag auf dem Parkplatz und machte keinerlei Anstalten, sich fortzubewegen. Mit Grandezza sah sie durch das Auto hindurch, das sich langsam näherte, einen Meter vor ihr aber zum Stehen kam.
Wollen sehen, ob du wirklich so ein schlaues Fabelwesen bist, dachte Marie. Sie mochte Katzen nicht besonders, gelinde gesagt. Katzen waren dumm wie Brot, sonst wären sie in der Lage, im Zirkus aufzutreten, wie zum Beispiel Esel oder Schweine. Es war absurd, wie viele Menschen beteuerten, ihre Katze liebe die Freiheit, die Unabhängigkeit, sie lasse sich nichts sagen, besitze Größe und so weiter. Doch Katzen waren einfach zu dumm, die Wurzel aus neun zu ziehen, konnten
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