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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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Schluck.
    »Ob ich schon mal auf dem Markt war? So ist das, Schnuckelpuppe, du siehst manchmal viel mehr als hundert andere Leute zusammen, und dann bist du auf einmal blind wie ein Maulwurf. Ich bin seit Jahren zweimal wöchentlich auf dem Markt und kaufe Rosen und frischen Thymian für dich.«
    »Ist nicht wahr. Das hast du mir ja nie erzählt! Aber wieso denn auf dem Markt? Haben die denn keinen Thymian im Supermarkt? Und ich dachte, die Rosen kaufst du immer bei Elouise.«
    »Nein, auf dem Markt, seit Jahren. Elouise ist diese Blumenhändlerin, die lieber ein Blumenmädchen wäre, aber leider gar nicht das Gesicht dafür hat. Sie grinst immer nur und will sich selbst verwirklichen, indem sie Blumenkunst macht, und kriegt den Hintern nicht hoch, wenn man den Laden betritt. Auf dem Markt ist Fredi, und Fredi ist ein alter Sack, der weiß, dass eine Rose eine Rose ist, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wir duzen uns und besprechen manchmal bei einem Bier die Tagespolitik.«
    »Ist ja eklig. Nimmst du auch einen Korb mit auf den Markt und ein Männerhandtäschchen?«
    »Nein, Schatz, ich trage das Geld wie immer in der Hosentasche. Du brauchst also nicht gleich deinen Scheidungsanwalt anzurufen. Und deine Rosen trage ich über der Schulter nach Hause, wie es sich für einen Arbeitslosen gehört.«
    »Da ist eine fette Spinne. Ich hole das Insektengift.«
    »Das ist Lotti, lass sie in Ruhe.«
    »Dann sorge gefälligst dafür, dass Lotti und ihre schwarze Mörderbande sich nicht in unserem Garten breitmachen.«
    »Ich spreche mit ihr. Willst du knallen? Wir könnten die Terrassentür von innen verriegeln, dann können die Kinder nicht rein.«
    »Ja, weiß nur noch nicht, wann. Hast du Brütti auch ordentlich eingeschmiert?«
    »Nein, das mache ich doch nie. Ein richtiger Kerl muss lernen, fünf Stunden ohne Schutz in der Sonne auszuharren. – Der WDR hat übrigens auch abgesagt.«
    »Oh. Mit welcher Begründung?«
    »Sie finden, der Holocaust sei langsam inflationär und ich mit einem Kriegsepos über die Rosenberg-Familie nicht innovativ genug. Nun ja. Das Interessanteste war aber, was der Redakteur sagte: dass Sinti und Roma Holocaust-Trittbrettfahrer seien und sich mal nicht so aufspielen sollten. Wörtlich!«
    »Nicht schlecht. Das dumme Schwein. Vielleicht sollten wir einen Film über diesen Redakteur und seinen Vorgarten machen!«
    Brütti trug den Damm ab und bewarf Pasi mit Sand.

7
    Marie und Helene bauen endlich das für eine
    erfolgreiche Psychotherapie nötige Vertrauensverhältnis
    auf – mit winzigen Abstrichen
    Wenn sie heute wieder nichts erzählt, sage ich ihr ab. Das muss ich, versicherte sich Helene, deren Abneigung gegenüber ihrer neuen Patientin zugunsten des professionellen Arbeitens zwar ein kleines bisschen nachgelassen hatte, aber keinesfalls verschwunden war.
    »Es ist so: Ich möchte Sie natürlich auf keinen Fall unter Druck setzen. Aber wir müssen – das heißt, ich muss – langsam entscheiden, wie es weitergeht. Dazu ist es notwendig, dass ich mir ein ungefähres Bild von Ihren Problemen mache, vielleicht von Ihren Ängsten, von Ihrer Trauer – ich weiß es nicht. Sie werden ja einen Grund haben, aus dem Sie hier sind. Den ich immer noch nicht kenne. Sind Sie eigentlich selbst auf die Idee gekommen, zur Psychotherapie zu gehen, oder hat es Ihnen jemand geraten? Vielleicht fangen wir hier an.«
    Auch Marie hatte sich in den letzten Tagen gedanklich ein winziges Stück in Richtung Kooperation bewegt, doch hier, jetzt, sozusagen auf Bestellung dieser fremden Person mit den flachen Schuhen zu erzählen, wie es ihr wirklich ging – das kam ihr immer noch närrisch vor. Sie stand unter Druck, fühlte sich grundlos angegriffen. Ja, vielleicht, eventuell, dachte sie. ›Vielleicht fangen wir hier an‹, hatte sie gerade gesagt. Was für eine dumme Art, einer Absichtsbekundung ein »vielleicht« voranzusetzen.
    »Eventuell bekommst du Eis. Heißt, dass man es noch nicht weiß. Eventuell ist überall besser als auf keinen Fall. Kennen Sie das?«
    Das kennst du natürlich nicht, die Frage war rein rhetorisch.
    »Nein, ich kenne das nicht«, du Ziege, fügte Helene gedanklich hinzu. Wenn du mir nicht einmal anvertrauen willst, warum du überhaupt hier bist, dann sollten wir uns wirklich ganz schnell wieder trennen.
    »Sie kennen nicht das Alphabet für Kinder von Brecht? Das X geht so: ›Xanthippe sprach zu Sokrates: Du bist schon wieder blau! Er sprach: Bist du auch sicher des? Er gilt

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