Rosenpsychosen
Auch wenn sie mich, wenn sie da ist, ärgert, wo sie kann. Sie weiß genau, wie ich grobe Unordnung hasse. Ich kann darauf warten, dass sie die aufgeschlagene Zeitung auf dem Tisch liegen lässt, darauf noch zwei aufgeschlagene Bücher und obendrauf die Brille. Daneben stehtdann ihr Wasserglas … Aber ich liebe sie, und ich bewundere sie sogar.«
»Hm. Und dann? Sie lässt also alles so liegen und geht weg.«
»Ja! Sie geht zur Toilette oder führt ein Telefonat und kommt dann wieder, aber in der Zwischenzeit ist eben dieses Chaos auf dem Tisch. Das ertrage ich nicht, und das weiß sie genau. Wenn sie die Zeitung wenigstens so aufgeschlagen liegen lassen würde, dass zusammen mit dem Schrank oder dem Fenster eine ordentliche geometrische Figur entstünde, aber nein, einfach so schief und nachlässig! Und, ja, dann geht sie einfach weg und kommt erst nach etlichen Minuten wieder.«
»Oh.«
»Ist doch schlimm, oder?«
»Ja – ist alles relativ. Und Sie? Was machen Sie dann?«
»Na, was wohl. Ich räume natürlich auf. Kann ja nicht so liegen bleiben. Man endet doch sonst in einem heillosen Chaos!«
»Die äußere Ordnung ist Ihnen schon sehr wichtig, nicht wahr?«
»Nein, nein, nicht so wichtig. Ich bin da eigentlich locker. Nur hätte ich es eben gern geometrisch nachvollziehbar.«
»Räumen Sie sonst nicht auf, nur, wenn Ihre Mutter bei Ihnen ist?«
»Doch, doch, ein bisschen schon.«
»Wie viel Zeit verbringen Sie denn täglich mit Aufräumen?«
»Na, lassen Sie mich mal rechnen. Also, morgens eine Stunde, wenn die Kinder weg sind, zwischendurch mal ein Stündchen und abends natürlich wieder eine, wenn die Kinder im Bett sind.«
»Das heißt, Sie räumen drei Stunden täglich auf?«
»Ja, aber viel mehr auf keinen Fall. Wie gesagt, so wichtig ist es mir dann doch nicht.«
»Hm. Na gut, lassen wir das erst einmal beiseite. Noch einmal zurück zu Ihrer Mutter. Wie verhält sich denn Ihre Mutter jetzt? Hat sie eigentlich Kontakt zu Adam? Ich hätte gerne, dass wir auch Ihren Exmann bei seinem Vornamen nennen.«
»Wenn Sie wollen. Nein, hat sie nicht. Aber ich glaube, sie hält nach wie vor große Stücke auf ihn. Warum, weiß ich nicht. Wahrscheinlich glaubt sie auch, ich sei schuld an seinem Unglück.«
»An seinem Unglück? Weil Sie ihn verlassen haben, oder was meinen Sie damit?«
»An der Scheidung bin ich sowieso schuld, das meine ich nicht. Aber er ist nicht nur mit mir knapp am Glück vorbeigeratscht. Vor einem Jahr hat er so ein debiles Tier mit drei Kindern geheiratet, und nun ist er auch noch todkrank.«
»Was hat er denn für eine Krankheit?«
»Pankreaskarzinom.«
»Sie müssen jetzt nicht lachen. Hier in diesem Raum können Sie Ihr Gesicht das ausdrücken lassen, was es ausdrücken möchte.«
»Wer sagt Ihnen denn, dass ich das nicht gerade tue? Ist doch eine prima Diagnose. Dann bin ich ihn los. Ich wünschte, ich wäre mich los, wissen Sie.«
»Sind Sie ihn los, wenn er stirbt?«
»Ja meinen Sie, er ersteht wieder auf? Wir reden seit Monaten nicht mehr miteinander, und ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, ob er noch lebt. Er lehnt jedes Gespräch mit mir ab.«
»Warum?«
»Weil er und seine neue Frau der Meinung sind, ich hätte ihm diese Krankheit eingebrockt. Als ich ihn mit der einjährigen Pasi verlassen habe, hätte ich ihm das Herz gebrochen,und deswegen habe die Krankheit sich entwickeln können. Irgendwann haben sie diese Zusammenhänge Pasi auch so erklärt. Das hat sie natürlich alles nicht verstanden, geschweige denn, durchschauen können. Alles, was sie verstand, war, dass ihre Mutter Papa umbringen will. Als ich das hörte, dachte ich, Pasi spinnt vielleicht. Jedenfalls habe ich dort angerufen und nachgefragt, ob sie eine Ahnung hätten, wie Pasi auf so was komme.«
»Und?«
»Ja, haben sie gesagt, selbstverständlich hätten sie dem ahnungslosen Kind jetzt mal reinen Wein eingeschenkt. Für mich war das ein klarer Fall von Kindesmisshandlung. Pasi wollte daraufhin nicht mehr zu ihnen, auf keinen Fall mehr in die Fänge dieser Frau, und nach diesem Vorkommnis habe ich dann endlich einen Schlussstrich unter diese Besuche gezogen. Das hätte ich schon vor Jahren tun sollen. Adam habe ich gesagt, er könne Pasi natürlich jederzeit allein sehen. Daraufhin war er schwer beleidigt und wollte nun seinerseits Pasi nicht mehr sehen. Zu ihrem letzten Geburtstag hat er sich nicht mal gemeldet.«
»Wie alt ist Adam eigentlich?«
»Mitte fünfzig.«
»Hm. Es ist neun
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