Rosenrot
Direktimport durch Schützenclubs bezogen werden kann und weil du Mitglied in einem Schützenclub bist, der gerade die Waylander 6.5 importiert, und weil du mehrfach andere Waylander-Waffen angeschafft hast, sieht die Tatsache, dass wir in der Hand eines Mannes, den du erschossen hast, eine Waylander gefunden haben, ausgesprochen seltsam aus. Es wirkt fast ein bisschen unbedarft, ausgerechnet diese Waffe zu wählen. Du hättest doch wohl eine andere finden können.«
»Meine Frage war, ob mich etwas an genau diese Waffe bindet«, entgegnete Lundmark seelenruhig.
»Wir gehen weiter«, sagte Hjelm. »Wie lange bist du nach deiner Suspendierung wieder im aktiven Dienst?«
»Das steht in deinen Papieren.«
»Zwei Monate und zwei Tage, ja. Es hat nicht lange gedauert, bis du wieder in deine alte Gewohnheit der Übergriffe zurückgefallen bist.«
»Es war kein Übergriff. Es war ganz normale Notwehr. Auch du, Paul Hjelm, hast in Notwehr getötet. Ein einziges Mal, genau wie ich. Danne Blutwurst, falls du dich an ihn erinnerst.«
»Du interessierst dich ja mächtig für meine geringe Person, Dag Lundmark. Warum das?«
»Weil du so ein Held bist.«
Paul Hjelm schwieg. Es schien ganz unmöglich, dieser Figur beizukommen. Keine Blößen, keine Risse. Man konnte Dag Lundmarks Selbstsicherheit leicht für die Selbstsicherheit des Gerechten halten, für das glasklare Selbstbewusstsein eines Menschen, der weiß, dass er nichts falsch gemacht hat. Aber etwas stimmte nicht, und Hjelm gelang es nicht, den Finger darauf zu legen. Eine Art Endgültigkeit des Handelns, die irgendwie über allem stand. Zielbewusstheit? Oder nur eine alles beherrschende Gleichgültigkeit? Er müsste durchgeschüttelt werden, aber es schien keinen Punkt zu geben, an dem man ihn zum Schütteln packen konnte. Vielleicht wäre es möglich, wenn man in die Vergangenheit zurückging, doch Hjelm wollte die Landschaft des Vergangenen nicht betreten und darin herumwühlen. Kerstin zuliebe. Er wartete ab, um zu sehen, wie sie selbst vorzugehen gedachte.
»Du hast uns haben wollen, nicht wahr?« sagte sie leise. »Du hast dich geweigert, mit der Internabteilung zu reden, wenn sie nicht gerade Paul und mich hinzuzögen... Warum? Es sieht ja nicht so aus, als wolltest du ein Geständnis machen. Was willst du denn dann?«
Dag Lundmark strich sich über den Schnauzbart. Eine kleine Falte hatte sich zwischen seinen Augen eingefunden. Er beobachtete seine ehemalige Verlobte mit scharfem, beinah brennendem Blick. »Warum glaubst du das, Kerstin?« fragte er.
»Ich versuche, mir auf das Ganze hier einen Reim zu machen«, sagte Kerstin Holm.
»Und ich versuche, mir auf die Tatsache, dass ausgerechnet du hier sitzt und mich vernimmst, und auf Ravanelli einen Reim zu machen.«
»Den Fußballer?« sagte Paul Hjelm. »Es könnte schwierig werden, da eine Verbindung zu finden. Das kann ich verstehen.«
Dag Lundmark fuhr fort, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken: »Sagt dir das etwas, Kerstin? Ravanellis Eckkneipe in Haga. Herbst 92. Ganz in Rot eingerichtet. Brennende Kerzen auf den Tischen, ein Armvoll Rosen. Und der Ring da.«
Lundmark zeigte auf Kerstins linken Ringfinger.
Sie lächelte, doch das Lächeln erreichte nie ihre Augen. Kaum einmal die Wangen. Sie sagte, nicht ohne eine gewisse Kälte in der Stimme: »›Auch viele Wasser löschen die Liebe nicht.‹«
Und Dag Lundmark sagte: »›Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn. Dass auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ertränken. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so könnte das alles nicht genügen.‹«
Paul Hjelm starrte sie eine Weile an. Was für eigentümliche Bindungen zwischen Menschen entstehen. Nicht zuletzt, wenn man bedachte, was Kerstin während jener Zeit durchgemacht hatte.
»Und der Rest«, fuhr Dag Lundmark fort. »Die kleine Hütte auf Tjörn, die wir in dem Sommer gemietet hatten, die Dänemarkreisen zu deinen Freundinnen, die lange Rundreise auf Öland, der Frühling in Paris.«
All das gab Lundmark mit einer beinah maschinell unsentimentalen Stimme von sich. Kein Zittern. Keine Veränderung im wässrigen Blick.
Kerstin saß mit geschlossenen Augen da. Würde sie zu ihrer Rolle als Vernehmungsleiterin zurückkehren können, oder war alles außer Kontrolle
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