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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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gejagt, bekamst ihn perfekt ins Visier und hast geschossen. Wenn ein rassistischer Bulle mit einer ganzen Armee aufgestauter Aggressionen Witterung aufnimmt, gibt es nichts mehr, was ihn aufhält. Nicht, wenn ein Fluchtweg da ist.«
    Dag Lundmark sah sehr zufrieden aus.
    Paul und Kerstin wechselten Blicke.
    Aha, sagten die Blicke.
    »Aber«, sagte Paul Hjelm und beobachtete Dag Lundmark sehr genau. »Aber seltsamerweise kann es genau das sein, was du uns glauben machen möchtest.«
    »Ein Verbrechen kann bekanntlich ein anderes Verbrechen verdecken«, sagte Kerstin Holm.
    »Es gibt einen äußerst erschwerenden Umstand«, sagte Hjelm. »Wie konntest du ihn einholen, bei deinem Gewicht?«
    »Denn du hast ihn eingeholt«, sagte Holm. »Sonst hättest du es möglicherweise, im Höchstfall, geschafft, ihn in den Rücken zu schießen, und das wegzuerklären wäre ein bisschen schwieriger gewesen.«
    »Wenn dies hier«, fuhr Hjelm fort, »ihr eingeübter Fluchtweg war, wäre ein guttrainierter Fünfunddreißigjähriger dir mit Leichtigkeit davongelaufen. Aber er blieb stehen. Nachdem er sich aus dem Fenster im neunten Stock geschwungen hatte und wie wild die unsichere Brandleiter hinaufgeklettert war, blieb er plötzlich stehen.«
    »Die Hauptfrage wird da unwillkürlich: Warum blieb Winston Modisane stehen? Wodurch wurde er in seiner Flucht aufgehalten?«
    »Es gibt verschiedene denkbare Antworten. Erstens: Ihm wurde plötzlich die Unmöglichkeit seines Fluchtprojekts bewusst, und er hielt inne. Gerade um zu vermeiden, eine Kugel in den Rücken zu bekommen. Ach, wie er sich getäuscht hatte, falls es so war.«
    »Zweitens: Du hast etwas gerufen, was ihn veranlasste, stehen zu bleiben. Etwas Entscheidendes, das ihn dazu gebracht
    hätte, seine Freiheit zu opfern. Doch was hätte ein solches Gewicht haben können?«
    »Drittens: Er wurde rein physisch aufgehalten.«
    »Wovon? Was konnte ihn aufhalten? 3 A: ein anderer Polizist, der den Fluchtweg kannte – oder bestenfalls ahnte –, war außen herum gegangen, durch die Dachbodentür. Da erwartete er ihn. Falls es so war, habt ihr die Tat zu zweit begangen -aber alle anderen Polizisten waren in der Wohnung, glauben wir zu wissen. Nein, 3 A ist nicht richtig gut...«
    »Bleibt 3 B: Die Dachbodentür war verschlossen.«
    »3 B klingt interessant, nicht wahr, Paul?«
    »Doch, Kerstin, ich finde auch, dass 3 B sehr interessant klingt. Besonders weil die Dachbodentür unmittelbar nach der Tat unverschlossen war.«
    »Und dann kommt etwas ganz anderes zum Vorschein.«
    »Nichts da mit Impulsen. Mit Notwehrimpulsen, aber auch: Nichts da mit Rassistenimpulsen.«
    »Her mit der Planung.«
    »Her mit der pedantischen Planung.«
    »Her mit vorsätzlichem Mord.«
    »Her mit der Vertuschung eines Mordes durch ein kleineres Verbrechen.«
    »Du musst also von vornherein den ganzen Fluchtweg gekannt haben. Du musst einen Schlüssel gehabt haben. Du musst zum einen den Mord vorbereitet haben, indem du die Tür von innen abgeschlossen hast, zum anderen die Tür unmittelbar nach der Tat wieder aufgeschlossen haben. Mit dem Schlüssel.«
    »Außerdem eine Pistole, aus der zwei Schüsse abgefeuert wurden, neben den Körper gelegt haben. Das nenne ich sorgfältige Planung.«
    »Her mit der Motivjagd. Was sollte ein abgehalfterter schwedischer Polizist, der nach einer Suspendierung gerade wieder seinen Dienst angetreten hat, für ein Motiv haben, einen südafrikanischen Flüchtling zu ermorden, dessen Asylantrag abgelehnt worden ist?«
    »Das wird der nächste Schritt der Untersuchung«, sagte Hjelm und streckte sich. »Damit machen wir beim nächsten Mal weiter. Sind wir nicht weit gekommen? Dag Lundmark?«
    Dag Lundmark lächelte.
    Lag wirklich die gleiche überlegene Zufriedenheit in diesem Lächeln? Oder sah es eine Spur hohler aus?
    Oder war es nur die Phantasie, die mit ihnen durchging?
    Wieder einmal hatten Paul Hjelm und Kerstin Holm sich gegenseitig zu einer Theorie hochgepuscht, die keineswegs ausformuliert war, als sie den Vernehmungsraum betraten. Es war ein gutes Gefühl – auch wenn die Theorie als solche haarsträubend war. Als wäre die Maschinerie wieder in Gang gekommen, wie gewöhnlich etwas eingerostet, aber auch wie gewöhnlich selbstschmierend. Der Abstand zwischen ihnen war geschrumpft. Wieder einmal hatten sie fast wie ein einziges denkendes Wesen funktioniert. Wieder einmal gab es eine vollkommen natürliche und selbstverständliche Verbindung zwischen ihnen.
    Und dass

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