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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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ausgerechnet Dag Lundmark das zu sehen bekam, war auch nicht schlecht.
    Kerstin Holm spürte, wie ihre Lebenskräfte nach einer Zeit absoluter Lähmung zurückkehrten – als erwachte sie aus einem widerwärtigen Alptraum. Aber etwas hielt sich noch, eine Spur von etwas Schlimmerem, und sie konnte es nicht einordnen. Zwar hatte alles ausgezeichnet geklappt: Dag Lundmark war aus seinem lächerlichen Selbstbewusstsein herausgerissen worden – vielleicht, möglicherweise, hoffentlich –, doch anderseits war sie selbst von einer seltsamen, gleichsam lauernden, schleichenden Angst ergriffen worden. War es nur der Schock, der nachließ?
    Ja, entschied sie. Es war nur der Schock, der nachließ.
    Nicht nur der Schock, wieder mit einem Menschen konfrontiert zu sein, der sie so grässlich enttäuscht hatte, sondern auch der Schock darüber, dass er so verändert war. Dass er so – alt aussah, so müde, fett und erbärmlich. Dennoch
    lag vermutlich irgendwo darin auch ein Trost. Dass er ein anderer war.
    Mit anderen Worten: Die Gefühle waren in Aufruhr.
    Da sagte Dag Lundmark: »Heißt das, dass der Staatsanwalt eingeschaltet ist? Dass ihr vorhabt, mich über Nacht in Arrest zu nehmen?«
    Sie betrachteten ihn. Es war das erste Mal, dass sie eine Gefühlsregung erkannten – vielleicht, möglicherweise, hoffentlich –, aber wie sah die in diesem Fall aus? War da nicht eine ganz, ganz kleine Befürchtung, hochgenommen zu werden?
    Kerstin und Paul sahen sich an.
    Nein, natürlich gab es keinen Grund, ihn dazubehalten. Aber sie würden neue Chancen bekommen, davon waren sie überzeugt. Sie warfen einen Blick zum Spiegel – dem vergessenen Spiegel –, und der fühlte sich tatsächlich gemeinschaftlich an. Als könnte man einen Blick teilen.
    »Nein«, sagte Paul Hjelm. »Aber wir wollen uns morgen weiter mit dir unterhalten. Das hier war ja richtig erhebend, Dag Lundmark.«
    Lundmark stand auf. Sein Blick verriet extreme Erleichterung. Dann verließ er wortlos den Raum.
    »War das jetzt komisch?« sagte Paul Hjelm.
    Kerstin nickte. »Ziemlich«, sagte sie.
    Dann ging die Tür auf. Der Raum füllte sich mit Kommissaren. Niklas Grundström und Jan-Olov Hultin kamen herein. Sie setzten sich ihnen gegenüber und beobachteten sie eine Weile.
    Dann sagte Niklas Grundström, der Chef der Abteilung für interne Ermittlungen: »Glaubt ihr an diese Geschichte?«
    »Welche Geschichte?« fragte Paul Hjelm treuherzig.
    »An den Mord«, sagte Grundström, ohne eine Miene zu verziehen. »Glaubt ihr, dass diese Sache größer ist, als sie zu sein scheint?«
    »Es gibt keinerlei äußere Gründe, das zu glauben«, sagte Hjelm.
    »Nur innere«, sagte Kerstin Holm.
    »Interne«, sagte Jan-Olov Hultin ein wenig überraschend.
    Sie betrachteten ihn einen Augenblick.
    »Und du, Jan-Olov?« sagte Grundström.
    Hultin studierte die betongraue Wand. »Ich würde sie noch eine Zeitlang weitermachen lassen«, sagte er schließlich.
    Grundström nickte und stand auf. »Okay«, sagte er. »Ihr könnt morgen weitermachen. Die Sache sieht ja recht interessant aus.«
    Dann verließ er den Raum.
    »Und das«, sagte Hultin, »war das höchste Lob, das ich jemals über Niklas Grundströms Lippen habe kommen hören.«
    Er stand auf und wartete. Paul Hjelm stand auch auf. Und wartete. Kerstin Holm blieb sitzen.
    »Ich bin nicht sicher, ob ich aufstehen kann«, sagte sie leise.
    Sie ließen sie allein.
    Mit ihren Gefühlen in Aufruhr.

7

    Der Einbrecher nieste.
    Er wartete einen Augenblick, und dann nieste er noch einmal.
    Es war nicht die günstigste Nacht für einen Einbruch.
    Zehn Minuten bevor er aus dem Haus ging, hatte er sich mit dem stärksten Nasenspray die Nase vollgesprüht und gehofft, alles würde funktionieren wie immer.
    Lautlos.
    Einen Moment lang stand er in dem pechschwarzen Flur und schwankte. Wahrscheinlich hatte er vierzig Grad Fieber, dazu entsetzliche Halsschmerzen, die vermutlich längst nicht nur Halsschmerzen waren, sondern eine Mandelentzündung oder sogar ein Halsgeschwür.
    Und Halsgeschwüre hasste er wirklich von ganzem Herzen.
    Er erinnerte sich daran aus seiner Kindheit. Ein Halsgeschwür musste operiert werden, und weil man den Hals nicht betäuben konnte, ohne dass die Atmung aussetzte, arbeitete man sich mit Eisspray als Anästhetikum in die Halsregion vor und schabte. Und Eisspray war nur eine verschönernde Umschreibung für den grellsten Schmerz.
    Dann nieste der Einbrecher noch einmal und wartete.
    Er war auf einen

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