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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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bestellt denn je. Inzwischen überlegten sie sogar, was sie mit dem Geld anfangen könnten.
    Sie tendierten – aber das war ein sorgfältig gehütetes Geheimnis – zu einem kleinen Haus in Griechenland.
    Und sein Bass blieb der feste Punkt im Kirchenchor von Nacka. Der alte Chorleiter hörte nicht auf, sich darüber zu wundern, wie sich der Klang in einer Stimme so drastisch verändern konnte.
    Wie das Leben so spielt, dachte Gunnar Nyberg zufrieden. Wer hätte das vor ein paar Jahren erwartet? Da lebte er in einer zwei Jahrzehnte alten Gewissenshölle und glaubte, sie würde bis an sein Lebensende andauern. Als junger Polizist war er Bodybuilder und einer der schweren frühen Fälle von Steroidenmissbrauch. Er war gewalttätig, zu Hause ebenso wie
    bei der Arbeit. Diese Vergangenheit hatte ihm beide Kinder entfremdet und würde ihn immer weiter heimsuchen. Er bezahlte jeden Tag den Preis, innerlich durch überwältigende Angstanfälle, äußerlich durch Vorträge in den Schulen über die Nebenwirkungen des Dopings. Dann hatte er die Eingebung – es war in der Erregung während der Jagd auf den Kentuckymörder –, den Stier bei den Hörnern zu packen. Extrem nervös nahm er den Kontakt zu seiner Exfrau und seinen Kindern auf. Und es ging. Sie hassten ihn nicht. Er war kein böser Geist aus der Vergangenheit. Eher ein vager Schatten, der Gestalt annahm. Möglicherweise ein wenig zu deutlich Gestalt annahm; er erinnerte sich mit einem Lächeln daran, wie seine Tochter Tova in Uddevalla vor der gigantischen Erscheinung auf der Türschwelle zurückgezuckt war. Und jetzt hatte sie selbst ein Kind bekommen, vor zwei Wochen. Sein drittes Enkelkind. Sein Sohn Tommy in Osthammar hatte schon zwei, und er liebte sie über alle Maßen. Sie bekamen alles, was seine eigenen Kinder nie bekommen hatten. Und schließlich wurde es ein bisschen zuviel. Er merkte, dass sein Verhältnis zu der Farmerfamilie in Roslagen ein wenig angestrengt wurde. Zu dem Zeitpunkt traf er Ludmila, und alles normalisierte sich. Der große blinde Fleck in seinem Leben war sehend geworden.
    All dies ging ihm durch den Kopf, als er Jorge Chavez‘ flammende Blicke auf sich gerichtet sah. Wegen einer Kartoffelschale.
    Chavez‘ Zorn war vollkommen unmotiviert. Als er es in einem Moment von Selbsterkenntnis einsah, erlosch er unmittelbar. Seine Stimmungsumschwünge waren inzwischen Legion; er war ganz einfach nicht daran gewöhnt, schwanger zu sein. Eine lange und ziemlich erbittert geführte Debatte zwischen den Eheleuten hatte schließlich mit dieser Schwangerschaft geendet. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Die Schwangerschaft entsprach zu einhundert Prozent Saras Willen. Er wollte warten – wie alle eingefleischten Junggesellen. Wir warten noch ein bisschen, es eilt doch nicht. Aber eine Frau, die schwanger werden will, ist eine Urkraft, und die lässt sich nicht unterdrücken. Wenn er weiter in dieser Beziehung leben wollte – und das wollte er um jeden Preis –, war er gezwungen, zu Kreuze zu kriechen.
    Er dachte: Wie viele Kinder wohl auf diese Weise entstehen?
    Und dann fühlte er einen Stich von schlechtem Gewissen, streichelte ihr leicht über den Bauch und sah mit großer Deutlichkeit vor sich, dass er dieses Kind genauso lieben würde wie sie. Auch wenn es ein Mädchenbauch war ...
    Sara deutete das Streicheln über ihren Bauch auf ihre Weise. Ihr selbst war es völlig gleichgültig, ob es ein Mädchen oder ein Junge war – Hauptsache, es war ein Kind. Vor zwei Jahren war sie kurz davor gewesen, sich bei der Abteilung für Kinderpornographie der Reichskriminalpolizei aufzureiben. Sie hatte ihre Tage damit verbracht, mit anzusehen, wie Kinder missbraucht wurden, wie Kindern das Schrecklichste angetan wurde, was man Menschen antun konnte. Sie war um die Dreißig und nahezu sicher, dass sie es nie wagen würde, Kinder zu bekommen. Man setzte einfach keine Kinder in eine Welt, die aussah wie die, mit der sie täglich konfrontiert war. Sie lebte in einem parallelen Universum, und das war finster, verfault, schmutzig, als wäre von allen Menschen ausgerechnet sie dazu bestimmt worden, alle Abarten des Menschlichen zu bewachen. Da trat plötzlich Jorge Chavez in ihr Leben und zog sie hinüber in ein anderes Universum. Es war zwar auch nicht besonders hell, doch zumindest konnte sie dort freier atmen. Dort war es auf jeden Fall denkbar, Kinder zu bekommen. Und der Gedanke wurde immer stärker: Mit diesem Mann wollte sie ein Kind. Ein kleines

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