Rosenschmerz (German Edition)
über seinen neuen Roman gegeben hatte. Irgendwas mit Rosen im Titel.
An den Namen des Autors konnte er sich nicht erinnern. Kein Wunder, Ottakring
las selten Krimis.
Es war gleich elf. Wie er den Laden einschätzte, würde sein Handy
bald klingeln. »Bis morgen«, hatte der Präsident gedroht.
Bei Chili wollte er vorher noch ein anderes Thema anschneiden. »Sag
mal, Chili, du kennst doch Niki Kirchbichler?«
»Ich kannte«, verbesserte sie. »Ich kannte ihn als Sänger. Der ist
in der Sauna vom Voglwirt verstorben. Ich weiß es aus der Zeitung. Warum fragst
du?«
»Er hat auf dem Gymnasium einige Zeit neben mir gesessen.«
»Da schau her. Wen du alles kennst. Einen richtigen Promi.«
»Und ein ungewöhnlicher Tod. Ist die Staatsanwaltschaft
eingeschaltet?«
Chili zog die Mundwinkel herunter und schüttelte den Kopf. »Wenn’s
so wäre, müsst ich’s wissen.«
»Hast du eine Ahnung, wer der behandelnde Arzt war?«
»Nach meiner Kenntnis haben die im Hotel einen Vertragsarzt. Keine
Ahnung, wen.« Chili sah sich um, als würde sie einer Verschwörung beitreten
wollen. »Allerdings soll im Totenschein ›ungeklärt‹ stehen. Hab ich gehört.
Weiß der Geier. Vielleicht hab ich nachher im Büro einen Ermittlungsauftrag auf
dem Tisch liegen.«
Es kostete Ottakring einen Anruf. »Dr. Vach? Kriminalrat Ottakring.
Kann ich Ihnen ein, zwei Fragen stellen?« Noch auf dem Parkplatz vor dem Café
Dinzler rief er den Internisten an. Vach und er waren sich bei verschiedenen
Gelegenheiten begegnet, wenn es um romanische Kirchenbauten ging. Mehrere
Vorträge und eine Reise auf dem Jakobsweg.
»Wann?«
»Jetzt! Ich bin gleich da.«
Er hatte es geahnt. Kaum war er von der Kunstmühle
Richtung Innenstadt losgefahren, wo der Arzt seine Praxis hatte, klingelte sein
Handy.
»Ja bitte«, meldete er sich. Todsicher war’s der Präsident.
»Hallo, Joe? Lola hier. Ich wollt nur hören, ob du gut angekommen
bist. Hast du schon eine Entscheidung getroffen? Wirst du das Angebot
annehmen?«
Wie gern er ihre Stimme hörte! Er wünschte, er hätte Lola bei sich
und könnte sie in den Arm nehmen und sich von ihr inspirieren lassen. Aber da
er nun einmal war, wie er war, antwortete er nur: »Nein!«
»Weißt du noch, was ich dich gefragt habe?«
Wie wirst du dich hinterher fühlen, wenn du ablehnst?, hatte sie
wissen wollen. »Klar. Ich hab’s begriffen. Bisher hat mich aber noch niemand
angerufen deswegen. Allerdings wette ich, dass sich das bald ändern wird.«
Zwei Minuten später klingelte sein Handy noch einmal. Diesmal war es
tatsächlich der Polizeipräsident von Oberbayern. Er verlangte Ottakrings
Entscheidung.
»Kann ich meinen Hund mit ins Büro bringen?«, wäre die Möglichkeit
einer Gegenfrage gewesen. Oder »Bedaure sehr, aber meine Partnerin leidet an
den Nachwirkungen einer Augenoperation« eine andere. Oder hätte der Kriminalrat
Ottakring sich vielleicht mit »Nein, ich will meine Freiheit genießen«
herauswinden sollen?
Er fuhr rechts ran und bezog Stellung. Er tat es in resolutem Ton.
»Ja!«, sagte er bestimmt. »Ich bin bereit. Wie geht’s jetzt weiter?« Vergeblich
kramte er im Handschuhfach nach Zigaretten.
»Morgen«, sagte der Präsident. »Morgen früh um acht wird Sie
Polizeidirektor Schuster in der Direktion erwarten.«
»Was nehmen Sie?«, fragte Dr. Vach und bot ihm einen
Espresso an. Seine Hand zitterte leicht.
»Das Gleiche wie Sie.«
Der Doktor hatte sich Zeit für ihn genommen, obwohl seine Praxis
gerammelt voll war mit Patienten. Durch das Fenster des Arztzimmers hatte
Ottakring einen eindrucksvollen Blick auf die schneebedeckten Buden des
Christkindlmarkts.
»Ich hab eigentlich nur eine einzige Frage«, sagte Ottakring. Er
wusste, wie heikel seine Frage war und dass der Doktor sie nicht beantworten
musste. Deshalb hatte er sie nicht schon am Telefon gestellt.
»Bitte«, sagte Dr. Vach, sichtlich neugierig.
»Welcher Arzt betreut das Hotel Voglwirt?«
Ottakring konnte den Ausdruck im Gesicht seines Gegenübers nicht
deuten. Er schwankte zwischen Stolz, Ablehnung und Verzweiflung. Jedenfalls sah
der Arzt betroffen aus. Er wollte die Frage schon wiederholen, als Dr. Vach
endlich antwortete.
»Ich«, sagte er leise.
Ottakring nahm einen hastigen Schluck Espresso.
»Warum fragen Sie?«, fragte Vach.
»Kirchbichler. Niki Kirchbichler. Er und ich, wir sind zusammen zur
Schule gegangen. Sie, Doktor, wurden zu ihm gerufen. Sie haben den Totenschein
ausgestellt. In welchem Zustand
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