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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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war die Leiche?«
    Dr. Vach sah aus, als sei Weihnachten abgesagt worden. »In welchem
Zustand die Leiche war? Was hat das damit zu tun, dass Sie sein Schulkamerad
waren? Warum fragen Sie, Herr Ottakring? Es war der normale Zustand eines auf
natürliche Art Verstorbenen. Nur der Ort war etwas ungewöhnlich.«
    Ottakring war klar, dass er direkter werden musste. »Und warum steht
dann ›Todesursache ungeklärt‹ im Totenschein?«, forderte er ihn heraus. Mit
Chilis Andeutung im Hinterkopf versuchte er es bei Vach ins Blaue hinein.
    Der Rest Espresso in Dr. Vachs Tasse verursachte einen hässlichen
dunklen Fleck auf dem weißen Mantel. »Was, wieso, sind Sie denn befugt …?«
    Josef »Joe« Ottakring bedankte und verabschiedete sich. Er hatte
genau das zu hören bekommen, was er vorausgesehen hatte. Kirchbichler würde
sein erster Fall im Rosenheimer K1 werden. Das war glasklar.

DRITTER TAG
    Seine Stimmung am nächsten Morgen passte zum Wetter. Es
war ein abscheulicher, windiger Tagesbeginn in undurchdringlicher Finsternis.
Die hereinbrechende Warmfront hatte es geschafft, die Schneedecke in ein paar
Stunden in wässrigen Matsch zu verwandeln. Die halbe Nacht hatte sich Ottakring
im Bett gewälzt, ohne richtig einschlafen zu können. Immer wieder stellte er
seine Entscheidung in Frage. Wie so oft im Leben waren es die Kleinigkeiten,
die ihn nervös machten, nicht das bedeutsame Große.
    Seine Wohnung in der Papinstraße lag einen guten Kilometer vom neuen
Dienstort an der Loretowiese entfernt. Sollte er für die paar Meter den Porsche
starten? Bei diesen Benzinpreisen? Oder sich mit dem Fahrrad durch den Matsch
quälen? Sollte er zu Fuß gehen? Was würde er wirklich mit Herrn Huber machen?
Er konnte das Tier unmöglich den ganzen Tag allein in der Wohnung lassen.
    Körperauf, körperab spürte er ein Jucken und Kribbeln, als stecke er
in einem Ameisenhaufen. »Eine Zigarette«, rief er laut durch die menschenleere
Wohnung.
    Und tatsächlich – Herr Huber kam brav mit der
Rothändle-Schachtel im Maul angetrabt. Ottakring bedankte sich und steckte sich
einen Stängel in den Mund. Er griff sich eines dieser länglichen, blauen
Einwegfeuerzeuge, drehte am Zündstein – ohne Erfolg.
    »So ein Mist!« Er schleuderte es in eine Ecke.
    Herr Huber zog den Schwanz ein und trollte sich.
    Ottakring fand ein zweites Feuerzeug, diesmal in feurigem Rot. Er
hielt es gegen das Licht. Es war leer. Er begann zu kochen. Die Zigarette
zwischen seinen Lippen zitterte bedenklich.
    Er fand ein drittes, hellgelbes.
    Es funktionierte.
    »Oh verdammter Schmarren!« Er riss das Fenster auf. Schmiss die
Zigarette weg und das Feuerzeug in hohem Bogen über die Papinstraße. Dort fiel
es scheppernd zu Boden.
    Sein endgültiger Entschluss fiel, als das Trockenfutter in die
Hundeschüssel rasselte. »Herr Huber, du kommst einfach mit«, sagte er
eindringlich, ohne wirklich selbst an die Lösung zu glauben, die er vor Augen
hatte.
    Die Direktion war ein abweisender Monolith mit einer
moosgrünen Steinfassade und vielen Fenstern, die wie kleine Höhlen zur Straße
hin schauten.
    »Können Sie mit Hunden umgehen?«, fragte er den Pförtner in der
Direktion. »Würden Sie bitte kurz auf meinen aufpassen? Er heißt Herr Huber.«
    »I heiß auch Huawa. Sehr gern. Aber meine Vorschrift
sagt …«
    Ottakring bog rechts ab und ging schnurstracks auf die Treppe zu,
die nach oben führte. Das Haus besaß keinen Aufzug. Polizisten begrüßten ihn
respektvoll.
    »Aha!«, rief ein Mann von oben.
    Ottakring sah sich Specht gegenüber, Scholls bisherigem
Stellvertreter. Chili hatte ihn vor diesem Mann gewarnt. Er selbst hatte
natürlich darüber hinaus auch recherchiert.
    Kevin Specht war ein großer, sportlicher Typ mit ordentlich
gebügelter Hose, weißem Hemd, braver Krawatte und auf Hochglanz polierten
Schuhen. Sein schwarzer Schnurrbart wirkte bei diesem auf seriös getrimmten
Auftreten fragwürdig. Specht war vor Jahren mit hochfliegenden Plänen aus
Leipzig nach Rosenheim gekommen. In dieser Zeit hatte er nicht so viele Fälle
gelöst wie der verunglückte Scholl, konnte aber spektakulärere Festnahmen
vorweisen. Er wusste sich bei medienwirksamen Untersuchungen prächtig in Szene
zu setzen. Sobald er aber feststellte, dass es mit einem Fall bergab ging, zog
er sich rasant zurück. Der Mann hatte einen gnadenlosen Ruf als fleißiger,
egozentrischer Schaumschläger, der über Leichen ging.
    Ottakring streckte ihm die Hand hin.
    Grinsend eilte

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