Rosenschmerz (German Edition)
Fluopram brauchte vier bis sechs
Stunden Vorlauf. »Sagen wir so ab zwölf Uhr?«
»Da war ich überall. Überall im Hotel.«
»Auch im Sauna-, äh, Wellnessbereich?«
»Sicher. Ich mache täglich meine Rundgänge.«
»Sind Sie bei Ihren Rundgängen auch Herrn Kirchbichler begegnet?«
Speckbacher hob die Schultern. »Glauben’s mir, Herr Kriminalrat, so
genau weiß ich das wirklich nicht mehr.«
Speckbacher wollte cool und locker wirken. Doch innerlich, das
spürte Ottakring, war er verkrampft und ängstlich. Wovor hatte Robert
Speckbacher Angst?
Das Ergebnis dieser Befragung konnte man in den Wind
schreiben. Speckbacher wusste von nichts. Nichts von Schulden. Den Namen
Fluopram noch nie gehört. Keine Ahnung von Kirchbichlers Schwermutanfällen.
Null Kenntnis von Drogen.
Ottakring fühlte sich schwerfällig, müde und mutlos. Kein Wunder,
wenn er oft so gereizt und abweisend klang. Er wollte es sich nicht
eingestehen. Doch im Innersten wusste er: Diese Arbeit schlauchte ihn. Früher
hatte er immensen Gefallen daran gehabt, Mörder zur Strecke zu bringen. Mit
allem drum und dran. Er hatte sich dazu berufen gefühlt. Doch die Zeiten hatten
sich geändert. Hatte er seine Fähigkeiten überschätzt? »Wenn du ständig nur mit
Gewalt, Leid und Strafen zu tun hast, bleibt es nicht aus, dass du gelegentlich
in ein tiefes Loch fällst. Dass du jegliche Lust verlierst. Jegliche Lust zu
allem«, hatte er einmal zu Lola gesagt.
»Ja, das spüre ich ab und zu«, hatte sie geantwortet. Ihr
zweideutiges Lächeln hatte er erst später registriert.
Vor ein paar Tagen war sein Schulkamerad tot in der Sauna dieses
Hotels gelegen. Es war gesichert, dass der Auslöser eine dramatische Überdosis
dieses Medikaments gewesen war. Dr. Vach legte seine Hand dafür ins Feuer, dass
der Mann nicht suizidgefährdet gewesen war. Doch wer kann schon in einen
Menschen wirklich hineinschauen? Wenn man sich jedoch dieser These anschloss,
musste es eine Person oder mehrere gegeben haben, die Kirchbichler das
Antidepressivum eingeflößt hatten. Aber wer und warum? Und auf welche Art?
Kirchbichler konnte schließlich mit dem Mittel umgehen.
Hauptsächlich in der letzten Nacht hatte Ottakring viele Gedanken
gewälzt, alle gleich konfus und gegensätzlich. Die Schlüsselperson zur Lösung
des Rätsels war vorerst Katharina Silbernagl. Vor allem anderen mussten sie
sich auf die Jagd nach ihr konzentrieren. Verdammt, warum brauchte die Suche so
lange? Es fing damit an, den Motorradfahrer zu finden, der sie mitten in der
Nacht abgeholt oder weggebracht hatte. Nervös war Ottakring nicht. Nervös wurde
er erst, wenn die Spannung nachzulassen begann.
Die Antwort traf ein, als Ottakring dem Franz
gegenübersaß. Er wollte sich noch einmal die Situation in der Sauna vor
Kirchbichlers Tod schildern lassen. Wollte gern aus dem bärtigen Tiroler
herauskitzeln, wie sein Verhältnis zu dem Verstorbenen gewesen war. Da
klingelte sein Handy.
»Chili hier. Sie haben den Motorradfahrer. Jetzt halt dich fest. Sie
haben ihm wegen zu hoher Geschwindigkeit eine Verwarnung verpasst. Er kam ganz
knapp an einem Bußgeld vorbei, gibt der Kollege an.«
»Und? Wo befindet sich die Silbernagl?«
»Am besten, du kommst gleich her.
Er war kaum in der Kufsteiner Straße, einer dieser typisch
hässlichen Einfahrtstraßen, wie es sie auch in Rosenheim gibt, da marschierte
sein Handy schroff im Radetzkyschritt. Gedankenverloren griff er danach.
»Der Huawa hier.«
Ottakring erschrak. Nicht schon wieder, dachte er. Der Herr Huber
wird doch wohl nicht schon wieder …
Nein, nicht wieder ausgerissen. Diesmal nicht. »Der macht alle Türen
auf, Herr Kriminalrat, der schleicht in jeds Zimmer eini. Heit in der Fruah, wo
i ins Bad eine hab woin, is er dagstandn und hod aus derer Toilettenschüssel
dringa woin. Und grad hat mei Frau ogruafa. Da hoder die Klinkn zum
Schlafzimmer abidruckt und – wos moanans woi, wo ihn d’ Frau gefundn hod?«
»Vorm Bett vielleicht?«, sagte Ottakring flüchtig und schaute auf
die Uhr.
»Nix! Viel schlimmer. Im Bett! Mittn in
unsern Ehebett hoder gflackt, der Lauser, der verreckte.«
Ottakring amüsierte sich, ließ sich aber nichts anmerken. Sein Hund
geriet außer Rand und Band. »Huawa, ich würde mich ja sofort ins Auto setzen
und den Hund wieder abholen, glauben Sie mir. Aber ich sitz schon im Auto und
bin grade in einer sehr dringenden Sache auf dem Weg in die Direktion.«
»Na, dann sehn mir uns ja glei. Aber des kommt mia
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