Rosenschmerz (German Edition)
Blick von Speckbacher. Der Hotelassistent trug
einen blauen Trachtenjanker mit hellblauer Krawatte zu grauer Hose und
schwarzen Haferlschuhen und schien genervt.
Beethovens Erste, Ottakrings Lieblingssinfonie, klang dezent über
die Lautsprecher durch die Halle. Passend zur Geschäftssituation im Hotel.
»Grüß Gott, Herr Ottakring.« Speckbacher reichte dem Kriminalrat die
Hand. Er hatte sich wieder im Griff. »Sie haben noch Fragen?«
»Fragen habe ich immer. Fragen ans Leben, Fragen an Gott, an die
Stadtverwaltung.« Ein strenger, zynischer Blick. »Fragen zu Ihrer
Körpersprache.«
Speckbacher war nach der Begrüßung sofort wieder auf Distanz
gegangen und stand mit vor der Brust verschränkten Armen seitlich neben
Ottakring. Alles an ihm, auch der Ausdruck in den Augen, signalisierte Abwehr.
»Doch an Sie, Herr Speckbacher, habe ich vor allem noch einmal eine
Frage.« Ottakring machte eine einladende Geste. »Am besten vor Ort in der
Saunazone. Sie scheint ja bedauerlicherweise verwaist zu sein.«
»Wellnesszone«, verbesserte Speckbacher ohne Nachdruck.
An einer kleinen Bar in der Wellnesszone, auf edlem Holzboden
zwischen Liegen und vor raumhohem Glas, bot Speckbacher Getränke an, und
Ottakring nahm ein Glas Johannisbeersaft.
»Wo waren Sie eigentlich wirklich am Todestag zwischen achtzehn und
zwanzig Uhr gewesen?« Speckbacher hatte in seiner ersten Aussage das Hotel als
Aufenthaltsort im weitesten Sinn angegeben. »Wo genau hier im Hotel?«
»Ich hab in meinem Tagesablauf keinen festen Zeitplan. Ich kann
nicht sagen, ich bin jeden Tag um fünf an der Rezeption, um zehn nach halb
sechs …«
»Schon klar, Mann! Aber nicht jeden Tag wird ein Mensch tot in der
Sauna gefunden. Sie werden ja wohl wissen, was Sie genau an diesem Tag um
achtzehn Uhr hier im Hotel unternommen haben. Stimmt’s? Ist ja keine Ewigkeit
her.«
»Viel telefoniert hab ich an diesem Tag. Das weiß ich. Um achtzehn
Uhr vier hab ich mit unserem Weinlieferanten gesprochen. Um zwölf nach sechs
mit Frau Müllner, einer unserer Bardamen. Sie hatte sich krank gemeldet.«
»Beweise?«
»Ob ich ein Alibi habe, meinen Sie wohl.« Speckbacher zog ein Blatt
hervor und schob es über den Bartresen. Es war ein Telefon-Einzelnachweis.
Ottakring warf einen kurzen Blick darauf. Er nahm einen Stift und
deutete auf die Uhrzeiten. »Zwischen achtzehn Uhr zweiundzwanzig und neunzehn
Uhr vier war aber Sendepause. Was haben Sie da gemacht?« Er schenkte
Speckbacher ein breites, väterliches Lächeln.
Speckbacher hatte den Ellenbogen auf die Bar gestützt und legte das Kinn
in die offene Hand. Seine Augen stierten die Rückwand an. Er versuchte zu
lachen, aber es misslang. Von einer Sekunde auf die andere hellte sich sein
Gesicht auf.
»Frau Riemerschmid!«, rief er aus. »Natürlich! Frau Riemerschmid
wollte wie üblich nach Italien telefonieren und fand die Nummer nicht. Da hab
ich ihr geholfen. Das muss um diese Zeit gewesen sein. Sie telefoniert immer um
halb sieben. ›Das ist bei meinem Bruder kurz vorm Abendessen‹, pflegt sie zu
sagen.« Er nahm das Kinn aus der Hand und wischte sich ein Büschel Haare aus
der Stirn.
Auch sonst machte er auf Ottakring den Eindruck, als hätte er soeben
den Kopf aus einer Schlinge gezogen.
»Das können Sie überprüfen!«, rief Speckbacher aus.
»Da können Sie Gift drauf nehmen«, brummte Ottakring und trank sein
Glas leer. Er legte dem anderen die Hand auf den Unterarm und sah ihm fest in
die Augen. »Was war Niki Kirchbichler für ein Mensch?«, fragte er mit lauerndem
Unterton. »Sie wissen bereits, dass er hohe Schulden hinterlassen hat und sein
Guthaben wahrscheinlich nicht einmal die Hotelrechnung abdeckt. Was wissen Sie
sonst noch von ihm? Sie waren doch so nah dran an ihm wie sonst kein anderer
hier im Hotel.«
»Also er war wie verrückt hinter der Catrin her, dem Blumenmädchen.
Das kann ich zum Beispiel sagen.«
»Hatte er etwas mit ihr?«
Abweisende Geste. »Weiß ich nicht. Hab ich nichts bemerkt. Die Frau
Riemerschmid hat sie einmal in der Früh aus seinem Zimmer kommen sehen, sagt
sie.«
»Haben Sie den Namen Fluopram schon einmal gehört? War Ihnen bekannt,
dass Kirchbichler möglicherweise unter Depressionen litt? Haben Sie je gesehen,
dass er etwas eingenommen hat?«
Speckbacher kicherte kurz. »Ja. Alka-Seltzer. Diese Art von
Kopfschmerzen hatte er oft.«
»Und am Nachmittag? Was haben Sie am Nachmittag gemacht?« Ottakring
musste an Professor Buchbergers Worte denken.
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