Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
bernsteinbraunen vorstehenden Augen und üppigen Lippen
stand über einen der Bistrotische gebeugt und schluckte Zigarrenrauch. Sie trug
riesige Ohrringe, wie man sie von Zigeunern in Operetten kennt. Ottakring
musste sich zwingen, nicht hinzuschauen, um nicht wieder dem Tabakwahn zu
verfallen. Er aktivierte sein Handy. Wieder einmal erfolglos klingelte er bei
Lola durch, bestellte Chili und Eva M. für morgen früh um neun Uhr ins
Büro, und erklärte dem Huawa seine Sehnsucht nach Herrn Huber.
    Eine Viertelstunde später bogen beide Hubers um die Ecke. Zuerst der
schlanke, schwarzbraune Körper des Tiers, dann Huawas Bauch und sein
überentwickeltes Hinterteil. Der Hund turnte um seinen Herrn herum, als hätte
er ihn ein Jahr lang nicht gesehen. Nachdem er dem Pflegevater versprechen
musste, Herrn Huber wieder bei ihm abzuliefern, bevor er sich am nächsten Tag
zum Dienst begab, hatte Ottakring den Rest des Tages frei, die Stunden, die
eigentlich für Lola reserviert gewesen waren.
    Die Sonne stand so hoch sie konnte. Sie teilte den Max-Josefs-Platz
in zwei tunnelartige Hälften. Die eine war in leuchtendes Licht getaucht, die
andere lag in tiefem Grau. Im Sommer würde dieser nachmittägliche Schatten
wieder ein grandioses Geschenk für die vielen Touristen sein. Weithin glänzende
Buchstaben markierten pompöse Boutiquen am Ludwigsplatz. Ottakring
durchblätterte ihre Auslagen in der Hoffnung, eine Winzigkeit für Lola zu
finden. Doch die kleinen Spielzeuge wie Sonnenbrillen, Handtaschen, Tücher, die
Frauen für ihr Ego brauchen, waren entweder zu teuer oder zu abgehoben.
Erstaunlich, wer einem an einem ruhigen Sonntagnachmittag in Rosenheim über den
Weg lief. In Mäntel und Schals gehüllte Frauen mit und ohne Kinderwagen, Horden
von grün-weiß beschalten Starbull-Fans mit dem Emblem von Auto-Eder auf der
Brust, hundertjährige Jogger ohne Haare und Zähne, rumänische Betteltrios mit
zwei Geigen und Akkordeon, Fachhochschulstudenten und ehemalige Sträflinge, die
als Kellner verkleidet arbeiteten, hochgetunte Spoilergeschosse mit dröhnender
Gothic Music aus dem offenen Fenster, langgliedrige Mädchen mit schrägen
Harlekinsbrillen, Chihuahuas an der Leine, spitzen Brüsten und großem
kirschrotem Mund. Drei Frauen gingen vorbei, die sich eingehängt hatten. Sie
sprachen eine Sprache, die Ottakring nicht verstand, und trugen Kopftücher.
    In der Städtischen Galerie lernte Ottakring, nachdem er den Hund an
der Garderobe abgegeben hatte, Werke des bemerkenswerten zeitgenössischen
Malers Victor Kraus kennen. In Raum VI stieß er auf die Oberbürgermeisterin, auf Gabriele Bauer, und ihre
Stadtratskollegin Eleonore Dambach, beide in elegant-sportlichem Outfit. Sofort
kamen sie auf den rätselhaften Todesfall im Voglwirt zu sprechen.
    »War das wirklich Mord?«, fragte die OB .
Sie sprach das Wort aus, als hätte sie puren Limonensaft geschluckt. »Dann wäre
es ja fast ein perfekter geworden, wenn ich das richtig verfolgt habe.«
    Ottakring verkniff sich einen Kommentar. Die Frau fiel ihm ein, die
sich gleich zu Beginn am Telefon als Gabriele Bauer gemeldet hatte. Vorgestern
hatte Eva M. sie identifiziert. Eine Kellnerin aus der Innenstadt, die
Kirchbichler tatsächlich eine kleine Summe Geldes geliehen hatte. Warum sie
sich denn ausgerechnet hinter dem Namen der Oberbürgermeisterin versteckt
hatte? »Mei, die is ja so populär, die Frau«, war die Antwort gewesen. »Mir ist
grad koa andrer Name net eigfalln.«
    »Anständige Menschen begehen einen Mord nur in ihren Träumen«,
bemerkte die Stadträtin. »Nicht sehr verlockend für unseren Tourismus.«
    Als er gerade im Begriff war, mit Herrn Huber nach Hause zu fahren,
traf er seinen alten Spezl Pauli aus München. Pauli war inzwischen Mitte
vierzig, ein liebenswerter Schlawiner und jahrelang Ottakrings V-Mann fürs
Grobe in München gewesen. Kahlrasiert am Kopf, mit einem Indianeramulett am
Hals, »um böse Blicke abzuwehren«, wie er erklärte. Ohne Paulis Hilfe wäre der
Fall der Toten im Boot vielleicht heute noch nicht gelöst. Auch er war in der
Victor-Kraus-Ausstellung gewesen. Draußen, auf einem grauen, matschigen
Grasstreifen, stand seine frisierte Harley.
    »Was machst du heute so, Pauli?«, fragte Ottakring.
    Statt einer Antwort zog sein Spezl einen Ärmel seiner Lederjacke
hoch. Der Arm war über und über mit eigenartigen Tätowierungen überzogen.
    »Ich arbeite für die OK -Dienststelle in
München«, flüsterte er geheimnisvoll. »In

Weitere Kostenlose Bücher