Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
selbst
Leiter dieses Kommissariats zu werden. Wahrscheinlich, weil Sie immer schon
solch ein gnadenloser Intrigant waren.« Hätte Ottakring später wiedergeben
sollen, was aus ihm herausgesprudelt war, er hätte es nicht vermocht. Heftig
schnaufend hielt er kurz inne.
    Spechts Gesicht, entstellt vor Erregung, bot keinen besonders
gefälligen Anblick.
    Das brachte Ottakring noch mehr in Rage. »Wie war das mit meinem
Verhältnis zu Kommissarin Toledo? Wie kommen Sie dazu, so etwas zu behaupten?
Und noch dazu öffentlich!«
    »Kommen Sie, Ottakring, lassen Sie uns das doch nicht auf der Treppe
austragen. Gehen wir in mein Büro.«
    Der riss sich los. »In diesem Bau ist zurzeit kein Schwein. Das, was
ich Ihnen zu sagen habe, kann genauso gut auch hier passieren.«
    »Aber das, was ich Ihnen zu sagen habe, nicht.« Spechts Schnurrbart,
schwarz wie ein dicker Asphaltspritzer, zuckte. Der ganze Kerl wirkte kantig
und verkrampft.
    In der Nachtschwärze seiner verbrecherischen Gedanken griff
Ottakring mit beiden Händen nach Spechts faltenfreiem, in einen sauberen
Hemdkragen gehülltem Hals und würgte ihn. Zusätzlich gab er ihm einen harten
Stoß vor die Brust und ließ ihn wirbelnd und sich überschlagend die Treppe
hinabstürzen. Zu guter Letzt überlegte er kurz, ob er ihm nicht doch in sein
Büro folgen sollte, dort den Brieföffner mit der Faust umschließen und die
Spitze bis zum Schaft …
    Er tat nichts von alledem.
    Er drohte nur. »Wenn Sie mir noch ein einziges Mal so schräg kommen,
oder ich nur den Hauch einer Verleumdung aus Ihrem Mund erlebe, dann …
wehe Ihnen!«
    Specht lupfte eine Augenbraue. Sein Mund bearbeitete energisch einen
Kaugummi. »Dann … was?«, brachte er heraus.
    Wenn er ehrlich war, hatte sich sein Zorn gelegt. Ottakring hatte
seinem Widersacher die Meinung gesagt, sein Gleichgewicht war beinahe
wiederhergestellt. Doch – hätte er nun die Hand ausstrecken und den Krieg
mit einem fröhlich-sächsischen »Freundschaft!« beenden sollen? Sonntägliche
Vernunft machte sich breit. Die gute Tat des Tages stand kurz bevor.
    »Haben Sie eigentlich selbst ein Alibi?« Die Worte bröckelten wie
Eisklumpen aus Spechts Mund, und mit jedem Wort nahm er eine weitere Stufe nach
oben. Er sah verschlagen aus.
    »Ha?«, machte Ottakring.
    »Na, für den angeblichen Mord, den Sie da untersuchen. Mit Ihrem Gspusi,
der Toledo …«
    Eine Sprengladung zerplatzte in Ottakrings Gehirn. In zwei langen
Sätzen stand er eine Stufe unter Specht. Mit einem mörderischen Uppercut in
sein Gehänge entlud er die erste Wut.
    Ein Schrei hallte von den Wänden wider. Wie vom Blitz gefällt sackte
Specht in sich zusammen. Ein Bein gab nach, und der Körper kippte zur Seite.
Dann folgte ein Erstickungsanfall unter Kaugummieinfluss.
    Zwanzig Sekunden blieb Ottakring stehen und nahm an Spechts Leiden
teil. Er lächelte milde. »Wohl bekomm’s«, sagte er dann und sprang fröhlich
pfeifend die Stufen hinab. Er war ja eh auf dem Weg zum Ausgang gewesen.
    »Halt!«, kam es gequetscht von oben.
    Er ahnte schon, was folgen würde, und griff zur Tür.
    »Bleib stehen, du Hund! Ich schieß dich nieder!«
    Ohne sich umzudrehen, sah Ottakring das Bild vor sich, das sich
hinter ihm abzeichnete. Specht lag mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Seite
und zielte mit der Dienstpistole auf ihn. Entsichert war sie nicht, das hätte
Ottakring gehört. Seelenruhig zog er die Tür auf und durchquerte die gläserne
Sicherheitszone. Mit der Souveränität eines oberbayrischen
Kreistagsabgeordneten winkte er über die Schulter zurück, bevor die Außentür
ins Schloss fiel.
    Ein Spatz mit einer enormen Krume im Schnabel flog vom Gehsteig auf,
wurde von einem anderen angegriffen und verlor die Beute.
    Es war elf Uhr zweiunddreißig.
    Den Gedanken, Katharina Silbernagl im Backsteinbau zu
besuchen, gab er auf. Er hatte das sichere Gefühl, dass Chili mit dieser Person
besser umgehen konnte als er. Morgen nach der Morgensitzung würde er sie
beauftragen, mit ihr zu sprechen. Nach dem Stress mit Specht und der Anspannung
mit Lola war er eh nicht in der richtigen Stimmung. Ein paar Stunden Pause, ein
Spaziergang durch die menschenleere Stadt würden ihm guttun und ihn wieder in
die richtige Spur bringen.
    Er trabte zum Wirtshaus Zum Johann Auer. Für die Raucher hatte der
Wirt, der früher das Santa betrieben hatte, auf der Terrasse über dem Bach
Heizschwammerl aufgestellt. Eine Frau von dreißig Jahren mit kunstvoll
gewelltem, dunklem Haar,

Weitere Kostenlose Bücher