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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Ingolstadt gibt’s fünfzehntausend
Russen. Augsburg hat fast ebenso viele. In Nördlingen sind’s zehn Prozent der
Einwohner, zweitausend. Da hab ich reichlich Futter, um mich zu ernähren.«
    Ottakring schaltete sofort. Pauli war demnach Zuträger für die
Gruppe gegen Organisierte Kriminalität. Wahrscheinlich als verdeckter
Ermittler.
    »Hast ja immer scho ausgschaugt wia a wuida Husar«, sagte Ottakring
und hämmerte Pauli gegen den Brustkorb.
    Etliche Wirtshäuser, nicht wenige Biere, bestimmt eine halbe Flasche
Wodka und zwei Weißwürscht für den Hund mussten dran glauben, bevor Herr Huber
und Ottakring sich nach lärmendem Abschied von Pauli auf den Heimweg machten.
Mit dem Resultat, dass der Hund mit Schüttelfrost und sein Beschützer trunken
und sterbend im Bett lagen und der Morgengong sich anhörte wie der Weckruf zum
Schafott.

ELFTER TAG
    »In Kohlstattberg herrscht heute noch eine Stimmung wie
seinerzeit in Hinterkaifeck, wo in einer Nacht sechs Menschen mit einer
Spitzhacke umgebracht wurden.« Eva M.s durchsichtiger Teint begann schwach
zu leuchten, ihre Wangen färbten sich rosa, während sie erzählte. Ottakring
hatte erwartet, dass sich wegen der gestrigen Szene mit Specht etwas in der Direktion
abspielen würde. Dass Schuster und Specht vereint am obersten Treppenabsatz auf
ihn warten würden. Dass er eine brennende Lunte unter der Wandleiste entdeckte.
Dass er in die Luft flog, wenn er eine Schublade aufzog.
    Nichts.
    Punkt neun Uhr klopfte es an seiner Bürotür.
    Specht? Nein, der hätte nicht geklopft.
    Natürlich. Sein Morgenmeeting. Nacheinander legte er Chilis und
Eva M.s Hand in seine Gorillapfote und schüttelte sie.
    Seinen Kater, Resultat der Zecherei mit Pauli, hatte er noch nachts
mit zwei Alka-Seltzer zu vertreiben versucht. In der Früh war er leider nicht
imstand gewesen, sein Apfel-Bananen-Jogurt-Müsli zu behalten. Dieses Phänomen
nahm er jedoch als unvermeidliches Missgeschick hin, wischte seinen Mund mit
dem Badetuch ab und erholte sich bei einem langen Spaziergang mit Herrn Huber.
Endgültig hatte er den Kopfschmerz mit Aspirin C betäubt.
    Sie hatten in der Besucherecke unter der riesigen Landkreiskarte
Platz genommen. Sie war die einzige Dekoration, die Ottakring seinem Dienstraum
gestattete. Beim Stichwort »umgebracht« in Eva M.s Bericht wurde er
hellhörig.
    »Ich hab mich in Kohlstattberg rumgetrieben und das halbe Dorf
befragt«, fuhr die Rolliererin aus dem BKA fort. »Ich hab alte Zeitungen studiert und im Netz recherchiert. Heut in aller
Herrgottsfrüh bin ich noch die Polizeiakten von damals durchgegangen. Fakt ist,
dass vor vierzehn Jahren Frau Magda Silbernagl bei einem Traktorunfall ums
Leben gekommen ist. Der Traktor hat sie im Geräteschuppen im Rückwärtsgang
gegen die Wand gepresst. Sie muss einen raschen Tod gehabt haben.«
    »Wie, Traktor?«, hakte Ottakring nach. »Hat der sich selbstständig
gemacht und ist rückwärts gefahren?«
    »Oje«, sagte Eva M., »hab ich vergessen zu erklären. Auf dem
Traktor ist Paul Silbernagl gesessen. Ihr Mann.« Eva M. lehnte sich
zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ die Information wirken.
    Ottakring bekam mit, wie Chili ihn aus ihren Zwielichtaugen
unverhohlen musterte. Sein Kopfinhalt schlingerte wie ein alter Porsche auf
Glatteis. Die Witterung, der er folgte, war so kümmerlich, das sie von der
Fantasie eines Spinnerten nicht zu unterscheiden war. Er wählte seine Worte
sorgfältig. »Ein Traktorunfall. Sie haben – du hast gesagt, du hast die
Akten geprüft? Was sagen diese Akten?«
    Eva M. wedelte mit dem Blondzopf. »Unfall. Nichts anderes
konnte nachgewiesen werden.«
    »Und die Leute?«, schaltete Chili sich ein. »Was reden d’ Leut im
Dorf so? Die wissen oft mehr, als die Polizei erlaubt.«
    Offenbar hatten Ottakrings Untergebene noch wenig Gelegenheit gehabt,
sich auszutauschen.
    Eva M. hielt beide Handinnenflächen gegen die glühenden Wangen.
Ottakring fürchtete schon, sie würden verkohlen. »Ja, diejenigen, die vor
vierzehn Jahren schon denken konnten, haben sich eine eigene Meinung gebildet.
Sie gilt bis heute.« Eva M. schaute vom einen zum anderen. »Es war Mord,
glauben sie. Er hat sie umgebracht. Dass der heute im Rollstuhl sitzt, das
erachten sie als gerechte Strafe Gottes. Volkes Stimme taucht natürlich auch in
den Akten auf. Die Polizei von damals konnte aber nichts nachweisen.«
    Ottakring dachte nach. Vor vierzehn Jahren war Katharina vierzehn
Jahre alt

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