Rosenschmerz (German Edition)
hatte die
Motorhaube des Porsche aufgeklappt und versuchte sich mit einem Streifen
Haushaltspapier an dessen Innereien. »Aber die …« Der Rest ging im
Aufheulen des Motors unter. Er führte sich auf wie vor dem Start zur
Formel 1.
»Abgesoffen«, sagte Eva M. bescheiden. »Zu viel Benzin an den
Zündkerzen. Das gibt’s nur mehr bei diesen Uraltmodellen. Jedenfalls läuft er
wieder.«
Danke zu der jungen Frau zu sagen, war für Ottakring wie der Sprung
in einen eisigen Wildbach. In diesem Fall aber war es unumgänglich. »Wenn Ihr
Porsche einmal streikt …«, raunzte er mit abgewandtem Gesicht.
ZWÖLFTER TAG
Ottakring wälzte sich die ganze Nacht im Bett, ohne
einschlafen zu können. Den Inhalt seines Kühlschranks fand er zu puritanisch,
um ihn anzugreifen. Ihm war immer noch kalt.
Er sah das Foto Niki Kirchbichlers aus der Kamera von Dr. Vach vor
sich, wie er ausgestreckt auf dem Boden der Sauna lag. Dass es sich beim Tod
seines Mitschülers um kaltblütigen Mord handelte, stand mittlerweile fest.
Daran glaubten alle. Und Kevin Specht hielt immer noch die Fassung »Ottakring
ist der Mörder« in Umlauf.
Katharina war Frau Riemerschmids Täter-Favoritin. Das hatte
Eva M. ermittelt. Den Speckbacher dagegen schloss die alte Dame aus.
Was war mit Frau Scholl? Warum log sie?
Welche Rolle spielte Morlock?
Und welche Paul Silbernagl, Kathis Vater?
Eines hatten alle Versionen gemeinsam: Es fehlte ein Motiv. Was
hätte Speckbacher, Silbernagl, Morlock, Riemerschmid dazu bringen sollen, den
alternden Volksmusikstar um die Ecke zu bringen? Es musste etwas geben, ging es
Ottakring durch den Kopf, was sie noch nicht wussten. Etwas in dem Netz der
Verbindungen zwischen den Verdächtigen. Doch darüber konnte man, wenn man keine
greifbaren Fakten kannte, endlos fabulieren.
Und exakt hier zog er in dieser Nacht einen Schlussstrich. Sei es,
weil er solche Abschweifungen ins Nebulöse gar nicht mochte. Oder weil er mit
einem Mal einsah, dass die einzige Möglichkeit, Land zu gewinnen und den Fall
zu Ende zu bringen, nicht das vage Vor-sich-hin-Brüten war. Es gab nur den
einzigen Weg, wie oft im Leben, sich konsequent mit den verfügbaren Tatsachen
auseinanderzusetzen. Als er das begriffen hatte, konnte er endlich zwei, drei
Stunden schlafen.
»Um halb acht«, sagte er zu Eva M. »Da will ich euch
bei mir haben.«
Um fünf vor halb acht waren sie in seinem Büro. Chili saß in der
Besucherecke, Bruni hatte sich vors Fenster gestellt, Eva M. lehnte am
Türpfosten und schirmte das Büro ab. Für den Fall, dass Specht unerwartet
hereinplatzen sollte.
»Wir müssen der Sache jetzt den letzten Schliff geben«, sagte
Ottakring. Er nahm Chili aufs Korn. »Was ist mit Katharinas Laptop? Seid ihr
mit dem Analysieren fertig?«
Chili schielte zu Eva M. hinter ihr. Eva M. grinste
verlegen und strich ihren Zopf glatt. »Komplett sind die Auswerter noch nicht
durch«, sagte Chili. »Aber das wenige, was wir haben, klingt vielversprechend.«
Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Reger Mailkontakt mit
Kirchbichler. Aber das war ja zu erwarten. Und das wussten wir natürlich schon
aus Kirchbichlers Rechner. Jede Menge Pornoshows. Das Mädchen scheint – na
ja, wie soll ich’s ausdrücken – ziemlich lebenshungrig zu sein. Die
nimmt’s mit jedem auf.«
»Scharf auf Sex halt«, merkte Eva M. kapriziös von der Tür her
an.
»Ja«, meldete sich Bruni zu Wort. »In ihrem Zimmer bei Morlock
ging’s auch ziemlich hoch her. Stapelweise DVD s
mit diesem Inhalt. Übrigens auch bei ihm. Die scheinen es sich richtig
gemütlich gemacht zu haben.«
Ottakring nickte mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ist das strafbar?«
»Es wirft ein Licht auf unsere Verdächtige«, sagte Chili.
»Hat sie eigentlich mit Speckbacher Mailkontakt gehabt?«
Schlagartig bekam Chili einen roten Kopf.
Anfängerfehler!, dachte Ottakring, bedachte Chili aber mit einem
nachsichtigen Blick.
»Aber das grafologische Gutachten«, spuckte Chili hastig aus. »Der
Brief stammt von einer Frau, so viel steht fest. Von einer älteren Frau. Keine
Intellektuelle, eher handwerklich begabt. Ängstlich bis depressiv, sucht nach
Liebe und Ruhe.«
»Na toll.« Ottakring war anzusehen, was er in Wahrheit von solchen
unwissenschaftlichen Aussagen hielt. Es gehörte einfach zum professionellen
Geschäft, nichts auszulassen. Früher hatte er manchmal sogar Astrologen
befragt.
»Bleibt dran, Mädels! Dieser Punkt ist wichtig. Wenn sich
herausstellt,
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