Rosenschmerz (German Edition)
Parkbucht an der Rezeption stand. »Den
Herrn Speckbacher bitte«, forderte sie den Flugbegleiter auf. »Und die Frau
Riemerschmid«, sagte sie mit einem Blick auf die Kollegin.
»Also das halbe Hotel?«, bemerkte der Angestellte schnippisch.
Chili wusste auch so, dass seit dem Todesfall nichts mehr ging in
dem Nobelschuppen.
Robert Speckbacher war aufgeregt. Er zupfte an seiner grünen
Krawatte, zog die Bügelfalten der grauen Gabardinehose glatt. »Mei Händi is
weg«, sagte er. Er war einer der Menschen, die berufsbedingt hochdeutsch
sprechen müssen. In seinen Dialekt verfiel er gewöhnlich nur, wenn er an etwas
anderes dachte als an das, worüber er gerade redete.
»Wissen’s scho, was die Grundbedürfnisse vom modernen Menschen san?
Naa? Des san Essn, Trinka, die Liab – und a Händi! Auf de erschdn drei
kannt ma zur Not vazichtn! Aber aufs Händi? Unmöglich. Des waar absolut krass!«
»Dann nehmen Sie meines«, sagte Chili. »Wen wollen Sie denn so
dringend anrufen? Sie stehen in diesem Moment vor ungefähr acht hoteleigenen
Festnetztelefonen mit doppelt so vielen Leitungen.«
»Des is halt a Brinzib von mir is des halt.«
Sie folgte Speckbacher zur hintersten Ecke der Halle. Ein trendiger Paravent
schirmte die Nische ab. Obwohl es niemanden gab, der mitgehört hätte. Sie
nahmen übers Eck Platz.
Im Augenwinkel bemerkte Chili, wie Frau Riemerschmid auf ihren Stock
gestützt und in violette Schleier gehüllt die Stufen zur Halle herunterkam. Sie
auszuquetschen war Eva M.s Part.
»Sie wohnen hier im Hotel, Herr Speckbacher. Und sind gelernter
Hotelkaufmann. Wo stammen Sie eigentlich her?«
Speckbacher wusste offenbar nicht, wohin mit den Händen. Also
verschränkte er sie im Nacken und sah zur Decke. »Haben Sie doch längst
nachgeprüft. Oder?«
»Klaro. Aber ich wollt’s von Ihnen selber hören.«
»Aaalsoo – ich stamme aus einem kleinen Dorf im Chiemgau. Einem
Chiemgaudorf, ja.«
»Hat dieses Dorf auch einen Namen?« Chili rutschte an die
Vorderkante ihre Sessels. »Drucksen Sie nicht so rum, Mann. Im Übrigen: Alles,
was Sie hier sagen, wird natürlich überprüft.«
»Kohlstattberg. Ich bin aus Kohlstattberg.«
»Und? Aus welcher Familie? Wer sind Ihre Eltern?«
Er nahm die Arme nach vorn und verschränkte sie vor der Brust.
»Meine Mutter. Ich hab nur eine Mutter. Frau Speckbacher heißt sie.«
Nun kamen sie der Sache schon näher. »Michaela Speckbacher?
Kellnerin von Beruf?«
Er tat erstaunt. »Ja.«
»Sagen Sie mal, Herr Speckbacher, warum sind Sie so reserviert? Sie
sind doch sonst immer ein recht aufgewecktes Bürschchen. Und hier muss ich
Ihnen jeden verdammten Wurm einzeln aus der Nase ziehen. Was müssen Sie denn
verheimlichen?«
Speckbacher stützte sich mit beiden Händen auf seinem Sitz ab.
»Verheimlichen? Nichts. Aber wie würden Sie sich fühlen, wenn ich so in Ihren
privaten Dingen herumschnüffeln würde?«
»Hey, Mann. Ich ermittle hier in einem Mordfall! Mord – das ist
kein Spiel. Wir können auf der Stelle in die Direktion fahren. Dort werden Sie
genügend Zeit erhalten, sich zu äußern.«
Sie musste ihre Erregung dämpfen. Chili schnaufte tief durch und
setzte sich wieder. »So. Noch mal von vorn. Ich weiß, wer Ihre Mutter ist.
Kennen Sie auch Ihren Vater? Sind Sie ihm je begegnet, hat er sich je um Sie
gekümmert? Spielen Sie jetzt bloß nicht den Unwissenden!«
Kleine Tropfen hatten sich auf Speckbachers Oberlippe gebildet. »Sie
werden sich ja umgehört haben. Dann werden Sie auch das Gerücht aufgeschnappt
haben, dass der Bauer Silbernagl mein Vater sein soll – sagen Sie, warum
interessiert Sie das alles so stark? Ich bin ein tüchtiger Assistent im
Voglwirt, leite momentan das Hotel sogar allein, hab nichts mit dem Tod von
Herrn Kirchbichler zu tun. Also was wollen Sie eigentlich von mir?«
Chili musste ihm im Grund ihres Herzens recht geben. Doch an der Art
Speckbachers irritierte sie etwas, das sie nicht in Worte hätte kleiden können.
Eva M. hatte gesichert herausbekommen: Robert Speckbacher war tatsächlich
der leibliche Sohn aus einer Verbindung Paul Silbernagls mit der Kellnerin Michaela
Speckbacher. Viele Jahre nach der Geburt hatte der Landwirt den unehelichen
Sohn anerkannt. Robert Speckbacher musste demnach seinen Vater auch kennen,
vermutlich sogar recht gut. Dass er sich vor ihr so anstellte, musste Gründe
haben.
»Kreizhimmeldonnerwetter, Speckbacher. Sie wissen, dass Sie ein
Silbernagl sind. Dann wissen Sie auch, dass Sie
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