Rosenschmerz (German Edition)
Männer
überlegt, wie sie bald wieder rauskommen könnte. Irgendwie mochte Kevin den
neuen Chef, den Ottakring, nicht und wollte ihm eins auswischen. Charly hatte
ihr das so erklärt: Wenn sie als Unschuldige in U-Haft wandert und es ergeben
sich hinterher neue Unschuldsbeweise, dann trifft’s meistens den, der die Haft
veranlasst hat. Und das war ja wohl der Ottakring gewesen. Und irgendwie, hatte
der Charly gesagt, würde der Kevin davon profitieren. Okay, ihr konnt’s egal
sein. Sie war frei und auf dem Weg zum Star.
»Hallo, aufwachen!«, sagte Onkel Josef und rüttelte leicht an ihrer
Schulter.
Sie zuckte hoch.
»Hast kchan Hunger? Willst was essen?« Josefs fürsorgliches Gesicht
hing über ihr.
»Oh ja«, krächzte das Hannerl. »Und ich sitz neben dir am Tisch.«
*
Dieser Tag
wurde für Kriminalrat Josef Ottakring ein sehr langer. Kaum hatte er sich von
dem Schock über Katharina Silbernagls Freilassung erholt, rief Eva M.
an.
»Silbernagl hat zwei Konten bei der VR -Bank.
Ein privates und ein Quasi-Geschäftliches. Der Kontostand beim privaten ist 112,27 Euro, der
beim geschäftlichen 1004,12 Euro. Ich
hab’s sehr vorsichtig ermittelt, so wie Sie mir geraten haben.«
Ottakring hatte keine weiteren Fragen.
Eva M. fuhr von sich aus fort. »Ach ja, und er hat ein
Fondsdepot. Ein gemischtes mit Aktien- und Rentenfonds. Wert um die
hundertfünfzigtausend Euro.«
Also kein Bares. Seine Erpressungstheorie geriet ins Wanken.
Als Nächstes versuchte er vom Giornale aus die Ermittlungsrichterin
zu erreichen. Sie befand sich in einer Sitzung. Also unerreichbar wie auf einer
Forschungsfahrt in der Antarktis. Es mussten gute Gründe sein, die für
Katharina sprachen, wenn ein Haftbefehl aufgehoben wurde. Morlock hatte sich
mit triumphierender Miene verabschiedet. Ohne sein Getränk zu bezahlen. Wer
wollte hier wem eins auswischen? Ottakring hatte sich gerade wieder etwas
beruhigt, und die letzten Spaghetti waren erkaltet, da ertönte erneut der
Klingelton. Er schaute aufs Display und überlegte, ob er rangehen sollte. Der
Huawa! Das konnte nur Probleme bedeuten.
»Ottakring.«
»Ja, da is de Huawerin«, kam es so lautstark aus dem Hörer, dass er
das Handy vom Ohr weghielt, um nicht taub zu werden. »Eahna Hund hat vorhin
mein ganzn Christbaum umgschmissn!«
Ottakring hatte Schlimmeres erwartet. »Kriangs hoit an neia vo mir«,
sagte er.
»Ja, aber der Christbaum is gegens Fenster gfallen.«
»Ja. Und?«
»Des Fenster war offen, weil i grad gelüftet hab.«
»Ja. Und?«
»Und dann hat die Christbaumspitz unten einen Hund getroffen.«
»A so?«
»Der Hund is auf die Straß grennt.«
Ottakring schwante Böses. Er warf einen Blick auf die Uhr.
»Und vor ein Auto gelaufen. Das Auto hat bremst, und der Hund ist
unverletzt geblieben.«
»Ja, aber …«
»Aber dann hat’s kracht. Ein anderes Auto ist dem hinten
draufgefahren. Einen gscheiten Blechschaden hat’s gegeben, und der Fahrer von
dem Auffahrer hat geblutet.«
»Das ist ja schrecklich, Huawerin. Wann soll ich den Herrn Huber
abholen? Das ist ja ein richtiger Verbrecher. Absolut.«
»Naaa. Der is goldrichtig. I habs Eahna bloß sagn wolln.«
Ottakring kniff die Augen zusammen. Sie wurden vor
Müdigkeit immer kleiner. Er lag im Bett und wollte lesen, aber zu viele
Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf. Die Richterin hatte er endlich
erreicht. Mit dünnen Worten hatte sie bestätigt, was Morlock bereits
angekündigt hatte. Katharina Silbernagl war frei. Für sie lag ein astreines
Alibi vor. »Unmöglich«, hatte er in einem Ton erwidert, der erkennen ließ, dass
er das nicht glaubte. Aber jedes Sträuben war nutzlos, wenn das Gericht
gesprochen hatte.
Allein den Triumph, den Specht dadurch einfuhr, empfand er als
bittere Niederlage. Und seine eklatante Intrige als Kränkung.
Die Dunkelheit, die sich über die Stadt gelegt hatte, kam ihm kalt
und bösartig vor. Ihm schien, als hätte die Welt sich plötzlich gegen ihn
gewendet.
Dann tat er, was oberbayrische Männer nur höchst widerwillig tun,
wenn sie jemals eine Niederlage einstecken – er rief seine Frau an.
Er fragte ganz schlicht: »Wie geht’s dir?«
Lola kicherte belustigt. »Du sprichst drei Worte, und ich merk
schon, dass was nicht stimmt. Hey, Joe, was ist los?«
Auch jetzt kniff er. »Nix ist los. Ich wollt mich nur erkundigen,
wie’s dir geht am Tag vor der großen Entscheidung.«
»Ich sag’s dir, Joe. Mein kaputtes Auge brennt so, dass ich’s
herausreißen
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