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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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lange, während Ottakring seinen
Gedanken nachhing. »Was sagen Sie dazu, Herr Ottakring?«
    Ich schmeiß den Laden hin und genieße wieder meine Pension. Kümmere
mich endlich hauptberuflich um Lola, pflege meine Gesundheit und renne mit dem
Hund auf den Berg. Doch er antwortete Schuster mit angeschlagener Stimme: »Ich
werd Morlock anrufen.«
    Für eine Minute kehrte er noch einmal zu Silbernagl zurück, der sich
nicht von der Stelle bewegt hatte. Fast jedes Mal, wenn Ottakring den Blick auf
den Mann heftete, kam ihm der Unfall in den Sinn, bei dem vor vierzehn Jahren
die Frau umgekommen war. Er hatte vor, die Sache von damals der Staatsanwältin
zu unterbreiten, sobald der Kirchbichler-Fall abgeschlossen war.
    »Nix verraten«, sagte Silbernagl und ruckelte auf seinem Sitz herum.
»Dass i aufstehn kann.«
    Ottakring zuckte die Schultern. Er hatte jetzt andere Sorgen. Bevor
er in sein Auto stieg, rief er in der Dienststelle an. Eva M. war gleich
dran. »Stell fest, bei welchen Banken Silbernagl seine Konten führt. Und krieg
raus, wie viel da drauf ist. Aber sei dezent. Frag Herrn Schuster, wie man das
macht.«
    Er gab Gas und flog in einer Schnee- und Kieswolke vom Hof. Es war
früher Nachmittag geworden. Er hatte Hunger wie ein Wolf.
    »Professor Morlock, was ist Ihr Lieblingslokal in der
Gegend?«
    »Ich hab zwei. Den Winkler und den Karner in Frasdorf.«
    »Ich möcht Sie einladen. Ausgerechnet die zwei kann ich mir nicht
leisten.«
    Morlock lachte und verfiel augenblicklich in sein fränkisches Becksteinisch.
»Na, dann gemmer halt auf ein Paar Schweinswürstl an einen Stand am
Max-Josefs-Blatz.«
    Sie vereinbarten einen Treff um halb drei im Giornale an der Bar.
Ottakring parkte den Porsche zu Hause und machte den Weg zu Fuß. In dem Teil
der Münchener Straße, der entlang dem kleinen Park am Kultur- und
Kongresszentrum verläuft, kam er sich vor wie in der Kulisse zu einem –
ey, was sagst du? – Prolofilm. Die Ausstatter der jugendlichen Menschen,
die entlang dieser Halbmeile herumhingen, hatten praktischerweise genau hier
ihre Läden.
    Vor nicht langer Zeit war in dieser Straße ein über achtzigjähriger
Mann wegen einer akuten Kreislaufschwäche auf dem Gehweg kollabiert. Statt ihm
zu helfen, hatten zwei junge Burschen – Flaumbart, Kapuzenpulli,
Schlabberhosen – ihn beraubt und misshandelt. Auch in diesem Augenblick
hätte es Ottakring interessiert, was all die Kinder und jungen Menschen um
diese Zeit auf der Straße zu suchen hatten. Mitten am Tag an einem Werktag.
Während der Schul- und Arbeitszeit.
    Als er nach diesem Eindruck ins Giornale trat, war es ihm,
als tauche er in eine fremde, ungewohnte Landschaft ein.
    Karl-Hermann Morlock trug diesmal eine Fliege. Er saß im Mantel an
der Bar und hob lässig die Hand. Der angekündigte Ärger war ihm nicht
anzumerken. Eine Dame mit ausladendem Hut auf honiggelbem Haar und knalligem
Blazer machte Platz, damit Ottakring sich neben Morlock setzen konnte.
    »Probleme?«, fragte der Professor mit gerunzelter Stirn.
    »Was soll der Schmarren?«, fragte Ottakring. »Man sagt mir …«
    »Jaja, schon klar. Ist natürlich ein Schmarren. Dass Sie den PC von der Kathi mitgenommen haben, war zwar nicht
nett, gehörte aber zu Ihren Aufgaben, Herr Kriminalrat. Ist mir schon klar. Und
dass sie meine geliebten Pornos völlig durcheinandergewirbelt haben – na
ja. Hätte nicht sein müssen, oder? Oder haben Sie da Probleme?« Er sprach sehr
laut, und die Dame nebenan hörte offensichtlich mit. Morlock schien es nicht zu
stören.
    Ottakring wollte etwas einwenden. Er überlegte es sich aber anders,
schwieg und presste die Lippen aufeinander.
    »Also.« Morlock zupfte die silberdurchwirkte Fliege mit beiden
Händen gerade. »Ich sag’s gradraus. Kathi ist wieder frei. Ich wollt’s Ihnen
als Erstem sagen.« Dabei machte er ein Gesicht wie ein Schulbub nach einem
gelungenen Streich.
    In Ottakrings Hirn tat’s einen Schnackler. Gleichzeitig zog’s ihm
die Zehennägel hoch. Er rutschte vom Sitz und fluchte laut. Dabei rasierte er
der Dame neben ihm den Hut vom Kopf. Sie schrie auf und flüchtete zur
Garderobe.
    Morlock verfolgte das Geschehen mit dem Charme und der Schläue eines
routinierten Pokerspielers. Als er jedoch Ottakrings Totengräbermiene sah,
schaute er sehr schnell weg. Friedhofsruhe herrschte im Lokal. Selbst der
Nymphensittich in der Ecke hatte den Kopf unters Gefieder gesteckt.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Ottakring. Er ahnte, was für

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