Rosentod: Thriller (German Edition)
in ihre Beine. Ein dichtes, dumpfes Grollen dröhnt durch ihren Kopf. Dann ist da nichts mehr.
Als sie aus der kurzen Bewusstlosigkeit erwacht, schleift sie jemand an den Beinen über den Boden. Ihre Arme pendeln oberhalb des Kopfs, Mantel und Rock sind weit hochgeschoben, und ihr Kinn ist seltsam taub. Unwillkürlich stiehlt sich ein Stöhnen aus ihrem Mund. Sofort lässt der Entführer ihre Beine los, beugt sich über sie und presst ihr einen Wattebausch auf die Nase. Sogleich wird ihr wieder schwarz vor Augen.
Sie erwacht in einem unverputzten, kalten Kellerraum, auf einem Bett liegend, die Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Grelles Licht sticht ihr in die Augen und zwingt sie zum Blinzeln. Als sie den Kopf dreht, sieht sie ein Stück eines Aquariums. Davor ein Mann, der sich gerade die Hosen auszieht.
Instinktiv will sie schreien.
Aber sie kann nicht.
***
Am darauffolgenden Tag.
Es ist zwei Uhr früh.
Das Mädchen vor dem italienischen Restaurant ist Mitte 20 und attraktiv. Sie hat ein helles Gesicht mit hoher Stirn, umrahmt von fülligem Haar. Blond, vor Nässe ganz schwer. Dazu gerade Schultern und ein durchgedrücktes Rückgrat. Sie trägt den Kopf stolzer als andere Mädchen dieses Alters.
„Hallo“, lächelt Ulla, spannt den Regenschirm auf, neigt den Kopf und spürt dem vielen Wein nach, der jetzt langsam seine Wirkung entfaltet.
Die Kleine schweigt und senkt den Blick.
„Auch genug getanzt?“ Mitten im Sprechen registriert Ulla die Plattheit ihrer Frage und rettet sich in einen spöttischen Unterton.
„Oh ja.“
Ulla ist ungefähr gleich groß wie das Mädchen vor ihr, aber nicht so feingliedrig, so elfenhaft.
„Es ist spät.“
Die Blondine hat den Kragen ihres schwarzen Mantels aufgestellt und wirft einen skeptischen Blick zum Himmel, aus dem es immer noch tropft, als wäre da oben eine Leitung leck.
„Sie warten auf ein Taxi?“
„Seit zehn Minuten. Es kommt nicht. Sie sind die Polizistin, nicht wahr?“
„Sieht man das?“
„Nicht unbedingt.“
„Stimmt. Ich arbeite bei der Kripo“, bestätigt Ulla mit rauer Stimme. „Und ich werde abgeholt.“
„Sie Glückliche. Können Sie mich mitnehmen?“
„Warum nicht? Mein Freund erledigt das.“
Lautes Hupen. Es dauert ein paar Augenblicke, bis sie Franks Flitzer ausmacht.
„Da drüben.“
„Der Sportwagen?“
„Ein Studentenfahrzeug“, relativiert Ulla. „Japanisches Erzeugnis mit einem etwas seltsamen Motor. Günstig gekauft.“ Missmutig denkt sie an das Geld, das sie diesem Windhund für den Autokauf vorgestreckt hat. Ob sie das jemals zurückkriegt?
Wie auf Kommando laufen die beiden Frauen los. Ulla öffnet ihrer Bekanntschaft den Wagenschlag, und die lässt sich auf die Rückbank fallen. Inzwischen beugt sich Frank über den Beifahrersitz und öffnet Ulla von innen die Tür.
„Hallo, Süße.“
„Servus. Wir haben einen Gast. Bitte bring das Mädel nach Hause.“
„Mit Vergnügen.“
„Marekkai 16. Sie wissen, wo das ist?“
Frank nickt so heftig, dass seine halblangen, blonden Haare fliegen. Seine grauen Augen blitzen, als er das Mädchen im Innenspiegel betrachtet. Die beiden Damen sind nass und frieren. Routiniert schaltet der Junge die Heizung auf Volllast und lässt den Wagen im zweiten Gang an die Kreuzung rollen.
„Ist das Gebläse zu stark? Die Scheiben laufen sonst an.“ Franks Blick klebt am Innenspiegel.
„Passt schon. Nur keine Umstände.“ Das Mädchen lacht. Glockenhell.
„Hör auf zu flirten“, zischt Ulla böse und boxt ihrem Freund in die Seite. „Und kein Wort mehr zu ihr, sonst bring ich dich um.“
Er schweigt dann auch.
„Wie hat Ihnen die Hochzeit gefallen?“
„Nicht so besonders. Die Rollenspiele fand ich bescheuert und der Sohn des Innenarchitekten Paulik hat sich an mich herangemacht. Eigenartiger Typ. Spricht kein Wort und ist so lästig.“
„Ach, der. Ich weiß schon“, meint Ulla. „Mir ging er auch ganz schön auf die Nerven.“
Der Kerl studiere mit ihm, sagt Frank. Er stottert.
Eine Viertelstunde später steigt die Blondine aus. Frank fährt jetzt schneller als zuvor, und es ist bedenklich still im Auto.
„Du lieferst mich ab und das war es dann für heute“, knurrt sie beleidigt.
„Wie du willst.“
Keine fünf Minuten später startet Frank den zu erwartenden Angriff. „Diese Kopfschmerzen. Eine Tasse Tee wäre jetzt gut. Mit viel Zitrone.“
Ulla reagiert nicht.
Beharrlich hängt der Fuß des Studenten auf dem Gas. Am
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