Rosentod: Thriller (German Edition)
Arme vor die Brust zu bekommen. Angstschweiß steht der jungen Frau auf der Stirn, und ihre Pupillen weiten sich.
Unbarmherzig zieht der Mann den Reißverschluss des Schlafsacks bis an ihren Hals zu und umwickelt ihre Hüften mit zwei Eisenketten. Schließlich verbindet er die Kettenglieder mit einem Vorhängeschloss, holt einen Jutesack vom Beifahrersitz, zerrt ihn von den Beinen bis zur Brust des Opfers hoch und füllt ihn ebenfalls mit Steinen. Dabei will ihm Elke Röhm noch einmal die Stirn ins Gesicht rammen. Erfolglos. Mit einem schadenfrohen Grinsen zieht er das Jutegeflecht weiter bis über den Kopf der Ärmsten und verschnürt den Riesenbeutel mit einer Nylonschnur.
Der Wind kommt in scharfen Böen von rechts. Der Mann schwitzt tüchtig, als er sich das schwere Paket über die Schulter legt und schwankend ans Geländer tritt. Ein kräftiger Wurf, gefolgt von einem satten Platschen. Der Sack geht sofort unter und taucht auch nicht mehr auf, solange der Mörder die Wasseroberfläche beobachtet.
Als es so kalt wird, dass ihm die Zähne klappern, schlendert er zurück zum Wagen, schließt die Heckklappe, setzt sich ans Steuer, startet den Motor und dreht das Abblendlicht an. Das alles geschieht ohne große Eile. Heute ist es hier so einsam, wie er es sich nur wünschen kann. Endlich legt der Mann einen Gang ein und tritt aufs Gaspedal.
Mit sonorem Schnurren setzt sich der Jeep in Bewegung.
Verschreckt versteckt sich der Mond hinter den Wolken.
Es ist, als würde er sich schämen.
***
Ihr sehnlichster Wunsch?
Weiterpennen.
Ulla schläft stets tief und traumlos, wenn Frank bei ihr ist, aber dieser Scheißwecker hört nicht auf zu schrillen, und sie tastet eine Weile blind herum, bis sie ihn auf dem Nachtkästchen findet und das Läutwerk abstellt.
Mit noch geschlossenen Augen schnuppert sie und registriert einen herben Männerduft. Lagerfeld Jako. So frisch wie gerade aufgesprüht. Vorsichtig öffnet Ulla ihre Augen. Durch das breite Fenster flutet Sonnenlicht den Raum und lässt sie die zerwühlten Kissen neben ihr gut erkennen.
„Frank?“
Keine Antwort.
„Hörst du nicht?“
Alles still. Also raus aus dem Bett und eine Kontrollrunde gedreht. Der Kerl ist weg. Schon wieder.
„So ein verdammter Mist.“ Verzweifelt hebt Ulla ihren BH vom Boden auf und schleudert ihn gegen die Wand.
Zurück in den Flur und in die Küche. Auf dem Tisch liegt eine Passionsfrucht. Atemlos löffelt sie das Fruchtfleisch mit den vielen sauren Kernen. Ohne jeden Appetit.
Diesen Sonntagmorgen hat sie sich anders vorgestellt. Ganz anders. Verbittert läuft sie ins Badezimmer. Körperpflege. Anziehen. Sie wählt die blaue Trainingshose, ein weißes Langarmshirt und die orange Sportjacke. Noch ein Shirt zum Wechseln und einen Pullover in ihren Lieblingsrucksack gesteckt. Fertig.
An Tagen wie diesen gibt es nur eins: Ab ins Fitnessstudio und ordentlich schwitzen. Den Schmerz aus den Poren jagen. Sich niedermachen. In den Boden stampfen. Bis zum Anschlag.
Die Stadt schläft noch, als sie lostrabt. Nur wenige Autos begegnen ihr, und einen Fußgänger kann sie überhaupt nicht entdecken.
Der im Volksmund Alte Turnhalle genannte Gebäudekomplex unweit der Ausläufer eines Mischwaldgürtels, der den Stadtteil nach Norden hin abgrenzt, steht unter Denkmalschutz. Wahrscheinlich wäre er sonst schon vor Jahrzehnten abgerissen worden. Seinerzeit feierten die Bergleute darin rauschende Feste, später kamen auch andere Tanzveranstaltungen dazu, aber mit dem Ende des Bergbaus war es auch mit der Alten Turnhalle vorbei. Jetzt verbirgt sich hinter den dicken Mauern mit der renovierten Jugendstilfassade ein Fitnesscenter. Eines der modernsten weit und breit.
Vor dem Haupteingang parken schon mehrere Wagen. Einige stehen ganz dick im Halteverbot. Polizei verirrt sich ja nur selten hierher. Diese Lenker haben also nichts zu befürchten. Das ärgert Ulla.
Innerhalb von fünf Minuten hat sie sich umgezogen und legt los. Die Chefinspektorin ist ganz gern hier. Sie mag die Gemeinschaft. In der Halle riecht es nach abgestandener Luft und saurem Schweiß. Starke Männer trainieren an den Geräten. Zwei Frauen reagieren sich am Stepper ab, eine Brünette tut etwas für ihre Bauchmuskulatur und eine Rothaarige plagt sich auf dem Laufband. Ehemalige Lehrerin. Gute Figur.
Ulla trainiert mit großer Ernsthaftigkeit. Eine Stunde später ist sie fertig. Sie duscht heute länger als sonst und spürt beim Anziehen ein unangenehmes Frösteln. Auch
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