Rosentod: Thriller (German Edition)
Stiege zur Wohnung der Röhms erscheint ihr heute steiler als sonst. Trotzdem nimmt sie immer zwei Stufen auf einmal. Ein kurzes Läuten genügt, und Anna-Maria Röhm öffnet. Die Beileidswünsche Ullas akzeptiert sie mit zusammengekniffenem Mund. Auch die Bitte, ihr die unbegründeten Verdächtigungen nachzusehen.
Ob sie eine DVD von Elkes Ledersprung besitze, will Ulla wissen. Die Frau nickt. Wer sie produzierte? Keine Ahnung. Auf der Hülle ist es jedenfalls nicht vermerkt. Ulla darf sich das Ding leihen und fährt damit zurück in ihre Dienststelle. Nicht, ohne vorher geschworen zu haben, die DVD noch heute Abend zurückzubringen.
Im Schulungstrakt ist es totenstill. Gute Voraussetzungen für eine Filmvorführung. Müde macht es sich die Chefinspektorin im Lehrsaal bequem.
Der Film beginnt mit einer Außenaufnahme der Oberlandhalle, gefolgt von ersten Innenaufnahmen des bis zum Bersten gefüllten Festsaals. Chargierte ziehen ein. In ihrer Mitte die Professoren. Studentenlieder und Trinksprüche ertönen. Ohrenbetäubender Lärm. Gelächter. Dann kommen die Studenten in ihren schwarzen Bergkitteln und formieren sich zu einer Reihe. Auf dem Podium Reden über Reden. Dazwischen Schwenks auf Eltern und Ehrengäste. Ulla fegt mit schnellem Vorlauf über diese Passagen hinweg.
Endlich eine neue Kameraeinstellung. Auf der Bühne der Rektor und ein alter Bergmann, die das straff gespannte Bergleder halten. Daneben Chargierte mit gezogenem Säbel. Endlich treten die Studenten vor. Einer nach dem anderen. Es dauert eine Weile, bis Elke an der Reihe ist.
„Dein Name?“, fragt der Rektor.
„Elke Röhm.“
„Deine Heimat?“
„Die schöne Steiermark.“
„Dein Stand?“
„Metallurgin.“
Dieses unschuldige Lachen. Ganz deutlich spürt Ulla, wie ihre Nerven vibrieren, aber sie muss sich das hier ansehen. Also lässt sie den Film weiterlaufen.
„Nun leere dein Glas, spring in deinen Stand und halt ihn stets in Ehren“, befiehlt der Rektor, und Elke trinkt den Bierkrug aus und springt übers Leder. Jubel, Trubel, Heiterkeit. Vorlauf. Judith. Da ist Judith Amras. Sie absolviert die Zeremonie in derselben Art und Weise wie Elke. Später stehen die beiden Blondinen nebeneinander und unterhalten sich. Die Kamera saugt sich an ihren Gesichtern fest. Sie liebkost sie, ehe sie wegschwenkt. Endlich der Auszug aus dem Saal. Sachte blendet die Kamera aus.
Zurück ins Büro und nachgedacht. Ein Telefonat mit der Lichtbildstelle. Sie benötige eine Kopie der DVD, sagt Ulla und ersucht den Kollegen, das Original danach wieder an die Besitzerin auszuhändigen.
Wer hat diesen Film gedreht? Ulla spürt, dass diese Frage wichtig ist. Zugleich fällt ihr der Tipp mit dieser Homepage ein. Neugierig setzt sie sich vor den Computer, tippt www.rosentod.com und drückt die Eingabetaste. Eine Weile ist der Bildschirm ganz schwarz, doch dann ist Elke Röhm zu sehen. Sie trägt ein grünes Cocktailkleid, hat eine Schärpe um die Taille geknüpft und unterhält sich mit einem jungen Mann. Daneben lümmeln einige Chargierte an einem Tisch. Eine Zweiminutensequenz ohne Ton. Das ist alles.
Seltsam, findet Ulla, speichert das Video ab, schickt den Beitrag an die Experten zur Bekämpfung von Computerkriminalität im Landeskriminalamt und ersucht, den Besitzer der Homepage zu eruieren. Man solle Dampf dahinter setzen. Die Sache sei dringend. Und nun? Kaffee wäre gut. Also auf in die Kantine.
Auf dem Korridor rennt sie ein junger Uniformierter fast über den Haufen. Sie solle in die Stadtleitstelle kommen. Ein Verdächtiger entzog sich der Personenkontrolle und lief einer Streife davon. Er flüchtete ins Werksgelände der Gösser Brauerei.
„Aschenbrenner“, knurrt sie und rennt los. „Herr im Himmel, lass es Aschenbrenner sein.“
Seit 20 Minuten herrscht Großalarm.
Die Leitstelle schickt alles in die Brauhausgasse, was gerade verfügbar ist. Zusätzlich stellt man die Beamten der Freischicht in den Dienst, während aus Graz zwei Züge der Einsatzeinheit anrücken.
Koschinsky und Maringer sind um Augenblicke schneller vor Ort als Ulla, stellen sich in die Werkseinfahrt und befragen die beiden Streifenbeamten.
„Da war einer, der an den Türen geparkter Autos hantierte“, erzählt der Jüngere der beiden. „Also hielten wir an und fragten, was er da treibe. Vom Auto aus. Mit heruntergekurbelten Scheiben.“
„Und?“, erkundigt sich Koschinsky gespannt. „Was dann?“
„Er reagierte nicht“, erklärt der Beamte.
Weitere Kostenlose Bücher