Rosentod: Thriller (German Edition)
von einer hübschen, kleinen Rothaarigen erwartet. Sie trägt ein graues, knielanges Wollkleid und hält eine blaue Jacke im Arm. Daneben steht ein Brillenträger im hellblauen Anzug. Sie kennt ihn aus dem Gerichtssaal. Ein Rechtsanwalt.
Offenbar erinnert auch er sich an sie, denn er lächelt ihr freundlich zu und begrüßt sie, als wären sie alte Bekannte. Ulla ringt sich ein Lächeln ab und bittet die beiden drei Türen weiter in den Besprechungsraum.
„Kaffee?“
„Nicht nötig. Danke.“
Frau Leichtfried melde sich aufgrund der laufenden Presseberichte, erklärt der Jurist. „Sie will eine Vergewaltigung anzeigen. Täter war dieser Herr Aschenbrenner, nach dem man gerade so intensiv fahndet.“
„Ach, du meine Güte. Brauchen Sie psychologische Betreuung?“, fragt Ulla die Frau. „Wir haben Fachpersonal im Haus.“
„Jetzt nicht“, erwidert die junge Frau unsicher und weicht Ullas Blick aus. „Ich will die Sache nur noch hinter mich bringen. So schnell wie möglich.“
„Wie Sie wollen“, murmelt die Chefinspektorin betreten und setzt sich an den Computer.
Die Protokollaufnahme dauert etwa eine Stunde. Es folgt ein Telefongespräch mit dem Journalstaatsanwalt, der eine gynäkologische Untersuchung anordnet. Ulla bringt das Vergewaltigungsopfer persönlich ins Krankenhaus. Es dauert eine Weile, bis sie einen Arzt auftreibt, der sich der jungen Frau annimmt. Ulla atmet richtig auf, als die beiden im Untersuchungszimmer verschwinden.
Danach ist sie endlich allein, versucht, ihre Gedanken zu ordnen und starrt dabei doch bloß unsichtbare Löcher in die Luft.
Sie treffen einander am Schwammerlturm.
Auf der Aussichtsplattform ist es dunkel und kalt, aber beinahe windstill. Die drei Kriminalbeamten haben ihre Jacken bis zum Hals geschlossen, während sie ans Geländer gelehnt stumm die Lichter der Stadt betrachten. Wie unschuldig der Ort eigentlich aus dieser Perspektive aussieht, geht es Ulla durch den Sinn. Eine ruhige, beschauliche Universitätsstadt, bevölkert von fleißigen, braven Leuten. Da passt Mord doch überhaupt nicht ins Bild. Und Vergewaltigung auch nicht. Trotzdem ist jetzt das Böse in der Stadt. Es geistert um die Mauern. Unerkannt.
„Verdammt kühl hier“, stellt Koschinsky mit ausdruckslosem Gesicht fest, stößt sich vom Geländer ab und geht. Ulla und Joe folgen ihm stumm ins Restaurant. Ein kleiner Tisch, gegenüber der Theke. Darauf warten schon Prosciutto, Mozzarella, Tomaten und knuspriges Weißbrot. Dazu trinken sie eine Flasche Rotwein.
„Wir haben eine neue Information, die wir jetzt Zug um Zug bewerten müssen“, resümiert Koschinsky. „Inwieweit verändert die Tatsache der aktenkundig gemachten Vergewaltigung unser bisheriges Gesamtbild? Was ist passiert? Aschenbrenner spioniert eine schwer alkoholisierte junge Frau aus, liest sie als falscher Taxifahrer vor der Disco auf, fährt mit ihr auf einen einsamen Parkplatz und fällt über sie her. Das ist eine Tatsache, aber wie passt das zu unserem Mordfall?“
Ulla sitzt da, als tangiere sie das alles nicht. Sie starrt Koschinsky zwar an, ist aber augenscheinlich ganz weit weg. Gedanklich.
„Das ergänzt sich ganz gut“, behauptet Maringer. Koschinsky überlegt noch eine Weile, ehe er nickt.
„Ich glaube kaum, dass Susanne Leichtfried Aschenbrenners einziges Opfer ist“, entwickelt Maringer seinen Gedanken weiter. Derweil häuft Ulla italienischen Rohschinken auf ihren Teller, schiebt sich genussvoll das Fleisch zwischen die Lippen und registriert überrascht, wie verzückt ihr die beiden Männer dabei zusehen.
„Für eine Einzeltat ist die Sache zu raffiniert“, murmelt Joe. „Und zu aufwendig. Ein Mercedes als falsches Taxi. Das Beobachten der Opfer. Natürlich hat er mit der Masche öfter gearbeitet. Unser Mordopfer wurde ja auch vergewaltigt. Eine auffallende Parallele.“
„Die Leichtfried hat aber überlebt“, gibt Koschinsky zu bedenken. „Mal angenommen, Aschenbrenner wäre nicht nur ein Vergewaltiger, sondern auch ein Mörder, stellt sich die Frage, weshalb er Elke killte und Susanne am Leben ließ.“
„Womöglich war Elke Röhm nicht betrunken genug“, meint Maringer lakonisch.
„Du glaubst, sie wehrte sich?“, fragt Ulla. „Deshalb die Prügel?“ Joe nickt.
„Das wäre eine Möglichkeit“, stimmt Koschinsky zu.
„Die Sache mit den Polizeihandschellen dürfen wir aber auch nicht vergessen“, unterbricht ihn Maringer. „Wie käme Aschenbrenner zu so einem Ding?“
„Das
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