Rosentraeume
Menstruation eigentlich längst hätte kommen müssen, und dann wurde ihr klar, daß sie schon zwei Monate über die Zeit war. Die Periode war seit fünf Jahren nicht ein einziges Mal unpünktlich gewesen, seit sie im Alter von zwölf Jahren zur Frau wurde. Es bestand kein Zweifel daran, daß sie schwanger war; all ihre Aufmerksamkeit richtete sie auf eventuelle Gegenmaßnahmen. Sie war zerrissen vor Unentschlossenheit.
Es gab nur einen Menschen, dem sie sich anvertrauen wollte, doch ihr geliebter Edward befand sich auf der anderen Seite des Kanals in Frankreich, er kämpfte dort in einem ungewissen Krieg
Ihre gesamten Gedanken flogen zu ihm, über die vielen Meilen hinweg, sie bat ihn inständig, zu ihr zurückzukehren und ihr eine Antwort auf ihr Dilemma zu geben. Doch der Versuch, sich durch ihre Gedanken mit Edward in Verbindung zu setzen, machte alles nur noch schlimmer. Ganz plötzlich begann sie sich Sorgen um seine Sicherheit zu machen. Wenn er nun im Gefecht getötet wurde? Diese Vorstellung war unerträglich. Wenn Edward nicht zurückkehrte, würde auch sie nicht mehr leben wollen. Schwere Gedanken umhüllten sie. Stürbe er, wäre auch das Problem um ihre Leibesfrucht gelöst. Sie würde sich umbringen, und das Kind in ihr würde sie mitnehmen!
Plötzlich begann Joan zu weinen. Und dann betete sie. Sie sprang auf und wischte sich die Tränen von den Wangen, Gott würde ihr viel eher zuhören, wenn sie in die Kapelle von Windsor ging. Sie griff nach einem Schleier, und zum erstenmal kümmerte sie sich nicht darum, ob die Farbe auch zu ihrer zarten Schönheit paßte oder zu ihrem Kleid.
In der Kapelle entdeckte Joan zu ihrer Überraschung Königin Philippa und mit ihr die Hälfte der edlen Frauen des Hofes. Sie schämte sich, als sie erfuhr, daß sie jeden Tag hierherkamen, um für England und die Sicherheit von König Edward, dem Prinzen von Wales und allen anderen tapferen Männern zu beten, die mit ihnen in den Krieg gezogen waren. Dies war das erste Mal, daß sie der Messe beiwohnte, doch sie schwor sich, es nicht das letzte Mal sein zu lassen.
Joans Wangen brannten, als sie daran dachte, was geschehen würde, wenn die Damen das Geheimnis unter ihrem Herzen erfuhren. Frauen konnten so grausam sein, ganz besonders zu einer Geschlechtsgenossin, die in Ungnade gefallen war. Die Klatschweiber hätten ihren großen Tag. Sie besaß seit langem den Ruf, gern zu flirten, und diesen Ruf hatte sie zu Recht bekommen; doch was sollte nur geschehen, wenn die Frauen ahnten, in welchen Schwierigkeiten sie nun steckte? Sie würden über sie herfallen wie eine Horde wilder Hunde und sie in Stücke reißen.
Sie sank auf die Knie und begann, ernsthaft zu beten. Zu ihrer Ehre muß gesagt werden, daß sie um Edwards Sicherheit und die ihres Bruders betete, volle dreißig Minuten lang, ehe sie sich ihren eigenen Nöten zuwandte. Wie die meisten Mitglieder ihres Ge-schlechtes, so machte auch Joan die haarsträubendsten Versprechen und schwor, daß sie nie wieder um einen Gefallen bitten würde, wenn die Engel ihr diesmal beistünden. Sie wagte es nicht, eine ganz bestimmte Bitte auszusprechen, etwa daß Edward sie heiraten möge - es sollte sich lediglich alles zum Guten wenden!
Nach dem Gottesdienst ging sie zurück in ihre Gemächer. Sie hatte nicht die Absicht, heute an den langatmigen Lektionen von Dame Marjorie teilzunehmen. Dabei war es nicht einmal so sehr das Drachengesicht, dem sie ausweichen wollte, sondern vielmehr der boshaften Gesellschaft Isabels. Die verwöhnte Prinzessin hatte Gerüchte über Lady Elizabeth Grey aufgeschnappt und ihr sofort ihre Freundschaft entzogen; jetzt behandelte sie sie wie eine Aussätzige.
Joans Sorgen schienen nach der Messe nicht leichter geworden zu sein. Die nächsten drei Stunden verbrachte sie damit, über eine Abtreibung nachzudenken. Sie würde sich natürlich Glynis anvertrauen müssen; denn sie selbst hatte keine Ahnung, was sie nehmen mußte, welche Dosierung sicher war, wenn es das überhaupt gab. Die Schwangerschaft zu beenden wäre die einfachste Lösung. Auf diese Art müßte sie Edward nicht auch noch dieses Problem aufhalsen. Doch solch ein Unternehmen war äußerst gefährlich. Viele Frauen starben, indem sie versuchten, ein ungewolltes Kind loszuwerden. Und wenn sie ganz ehrlich war, so wollte sie dieses Kind. Der Gedanke, Edwards Baby unter ihrem Herzen zu tragen, erregte sie. Das Kind würde königliches Blut haben. Wie konnte sie ein Kind des Prinzen
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