Rosentraeume
England zurück. Er hatte damals bei einem Schiff angeheuert, das vor der Küste Griechenlands untergegangen war. Es schien ein herrliches Fleckchen Erde zu sein, bis die Türken das Land überfielen. Damals hatte er auch seine Geschicklichkeit als Krieger erworben, im Kampf gegen die listigen Türken. Und irgendwann war er gefangengenommen worden und hatte in einem elenden Kerker geschmort, bis die islamischen Krieger, die man die Ottomanen nannte, ganz Byzanz eroberten.
Christian, oder Drakkar, wie er damals noch hieß, war ein Janitschar im Elitekorps des ottomanischen Heeres. Als er Paddy aus dem türkischen Gefängnis befreite, wurde er gleichzeitig sein Besitzer. Paddys Leben oder Tod hing von diesem jungen Janitschar mit dem Gesicht eines wilden Adlers und dem Körper eines normannischen Kriegers ab. Paddy nahm an, daß er am Leben geblieben war, um seinen neuen Herrn zu belustigen. Und das tat er fleißig.
Christian stand mit gerunzelter Stirn vor einem kleinen Tier in einem Käfig, der so eng war, daß es sich darin nicht umdrehen konnte. Es hatte die strahlendsten Augen, die er je gesehen hatte.
»Was, zum Teufel, ist das?« fragte er Paddy.
»Sieht aus wie ein schwarzfüßiges Frettchen. Sollen wir es freilassen?«
»Wenn du es nicht tust, werde ich es tun«, stimmte ihm Christian zu.
»Mon Dieu! Arretez-avec-ga! Hört auf!« brüllte der Kapitän.
Paddy nahm nie Befehle von einem anderen als Hawksblood entgegen. Im selben Augenblick, als er die Tür des Käfigs aufbrach, schoß das Frettchen heraus, rannte über das Deck, kletterte am Bein des Kapitäns hoch und biß ihn in die Hoden. Paddy und Christian brüllten vor Lachen.
Der Franzose allerdings nicht. Er röhrte einen schmutzigen Fluch, dann griff er das Tier, packte es am Hals und warf es über Bord. Christian hörte auf zu lachen, er ging zur Reling und blickte in das zinngraue Wasser. Das schwarzfüßige Tierchen mit den strahlenden Augen versuchte verzweifelt über Wasser zu bleiben, doch dann verschwand es in einer Welle. Im nächsten Augenblick kam es wieder hoch, aber der Abstand des Schiffes vergrößerte sich schnell.
Christian hatte kaum seine Stiefel und sein Kettenhemd aus, da sprang er schon. Das Frettchen kletterte auf seine Schulter und krallte sich in seinem langen Haar fest. Paddy half Christian wieder an Bord, der sich gemächlich wie nach einem morgendlichen Bad abtrocknete.
Der Kapitän und die Mannschaft tobten. »Ihr müßt verrückt sein, Euer Leben für einen Rattenfänger zu riskieren!«
Christian warf ihm einen abschätzigen Blick zu. »Und Ihr müßt verrückt sein, Euch vor einem Fellbündel von sechs Inches zu fürchten.«
Paddy half ihm dabei, sein Kettenhemd anzuziehen und sein Wams darüber, das zitternde Frettchen versteckte sich darunter. Der Kapitän öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann sah er das Blitzen in dem dunklen Gesicht und hielt sich zurück.
Paddy murmelte: »Er hat Angst, daß Ihr, wenn er noch einmal den Mund aufmacht, den kleinen Nager auf ihn hetzt.«
Christians Mund verzog sich, dann ging er nach hinten. Das Wasser war unglaublich kalt gewesen. Und er fühlte sich ungemütlich, weil seine Kleidung an der Haut klebte. Deshalb löste er seinen Verstand von dem körperlichen Unbehagen in dem Wissen, daß der heftige Seewind seine Kleidung schon bald trocknen würde.
Der Himmel verdunkelte sich, und allmählich erschienen die Sterne. Im Alter von acht Jahren war Astronomie seine Lieblingsbeschäftigung gewesen. Nachdem man ihn in den geheimen Templerorden aufgenommen hatte, war von ihm erwartet worden, die Sterne bis hin zu denen der vierten Größe zu benennen und die bis zur sechsten Größe zu erkennen. Jetzt schweifte sein Blick über Rigel und Regulus, Alpha Centauri und Atair. Sie kamen ihm wie alte Freunde vor. Es dauerte noch eine Stunde, ehe der Mond aufging. Als er dann am Himmel sichtbar wurde, bemerkte Hawksblood einen schwachen Schein, viele Seemeilen hinter ihnen, der langsam heller wurde.
Er stand wie erstarrt und sammelte sich, richtete seine ganze Aufmerksamkeit darauf. Die Barrieren der Entfernung und der Dunkelheit durchdrang er nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch das genügte ihm, um zu erkennen, daß es eine kleine, aber schnelle französische Kogge war. Die Logik sagte ihm, daß Seeräuberei am ehesten vor Tagesanbruch glückte, deshalb handelte es sich hier wahrscheinlich um einen Überfall auf die englische Küste.
Er ging zum Vorschiff und
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