Rosentraeume
mußte. Er brach das Siegel auf und las die Botschaft. Einiges war unleserlich, doch er konnte noch genügend Worte entziffern, um die Bedeutung zu erkennen.
Lancasters Armee würde nicht kommen! Der König schlug vor, Edwards Männer sollten nach Bordeaux zurückkehren. Gegen die französische Übermacht mit nur zehntausend Engländern anzukämpfen kam einem Selbstmord gleich. Voller Verachtung blickte Hawksblood auf Holland nieder, er wußte, er hätte diese Botschaft niemals dem Adressaten ausgeliefert. Er wollte Joan von Kent haben. Und wenn er diese wichtige Information dem Schwarzen Prinzen vorenthielt, hätte das ohnehin seinen Tod bedeutet.
Hawksblood hatte weder die Zeit noch die Energie, diesen Haufen Abfall zu beseitigen, der vor ihm lag. Er hob seine Augen gen Himmel und übergab dem Wind seine Wünsche. Es dauerte nur Minuten, bis er den ersten Geier erkannte, der herangeschwebt kam. Bald erschienen noch andere Vögel, bis ungefähr zwei Dutzend dieser Würger über der Leiche kreisten. Es war ein passendes Ende. Asche zu Asche, Staub zu Staub, Aas für die Geier.
Hawksblood drängte sein Pferd zu noch größerer Eile, um Edwards Armee zu erreichen. Obwohl er mittlerweile zwanzig Stunden im Sattel verbracht hatte, war seine Müdigkeit wie weggeblasen, als er sich auf sein umgekehrtes Ziel konzentrierte.
Erleichterung überkam ihn, als er Angouleme erreichte, wo die Armee für die Nacht ein Lager errichtet hatte. Als er abstieg und den Soldaten, der direkt vor ihm stand, begrüßte, griff eine kalte
Hand nach seinem Herzen. Er war versehentlich in ein französisches Lager geritten! Innerlich verfluchte er sich. Warum hatte er nicht seinen sechsten Sinn beachtet, der ihn vor der Gefahr gewarnt hätte? Er war allzu beschäftigt gewesen mit seinen Gedanken an Brianna und an die Pest, die seine Mutter bedrohte. Wie, zur Hölle, hatten die Franzosen nur so rasch Angouleme erreichen können?
Hinter einigen Bäumen wurde er sofort von der Dunkelheit verschluckt. Seine Kleidung und auch sein Pferd waren schwarz. Wenn er seinen Ruf wert war, so würde er dies als eine von Gott gegebene Gelegenheit benutzen, die Stärke der französischen Truppen auszukundschaften.
Hawksblood ging mit großer Heimlichkeit vor, er führte sein Pferd zu Fuß weiter. Nach zwei Stunden hatte er herausgefunden, wie weit nach Süden, Westen und Norden sich das Lager ausdehnte, doch die östliche Grenze war ihm noch unbekannt. Wie es schien, breiteten sich die Soldaten im ganzen Land aus.
Er streckte sich auf der warmen Erde unter den Bäumen aus und begann, sich zu konzentrieren. Schrittweise durchbrach er die Grenzen der Zeit, des Raumes, des Schalls und der Entfernung, bis er das Stadium erreicht hatte, das seinen Visionen förderlich war. So unglaublich es klang, so war es Johann von Frankreich dennoch gelungen, eine Armee von vierzigtausend Männern um sich zu versammeln! Er hatte seine vier Söhne dabei, sechsundzwanzig adlige Herzöge und Grafen und über fünfhundert Ritter, die dem Orden der Dame vom Hohen Hause angehörten; sie hatten einen Eid geschworen, eher in der Schlacht zu sterben, als zurückzuweichen. Und als wäre das noch nicht genug, so stand diese Armee zwischen Edwards Männern und Bordeaux, was alle Hoffnung auf einen rechtzeitigen Rückzug nach Bordeaux zunichte machte.
Mit diesen schlechten Nachrichten ritt Hawksblood nach Norden, wo er mit Prinz Edward und Warrick wenige Meilen außerhalb von Poitiers zusammentraf. »Es ist nötig, eine Besprechung der Führer einzuberufen. Eure Adligen müssen um unsere bedrängte Lage Bescheid wissen.«
Hawksblood berichtete die unerfreuliche Tatsache, daß Lancasters Armee sich nach Cherbourg zurückgezogen hatte und nicht mit ihnen Zusammentreffen würde. Er sagte ihnen auch, daß sie zu weit nach Norden vorgedrungen waren und daß die französische Armee zwischen ihnen und ihrem Stützpunkt Bordeaux stand. Erst dann teilte er ihnen zögernd den Umfang der französischen Truppen mit.
Salisbury fluchte. »Wir sind verloren!«
Edward schlug mit der Faust auf eine Munitionskiste. »Es ist eine tödliche Beleidigung zu behaupten, daß ich mich lebend besiegen lasse!«
Warrick meldete sich zu Wort. »Keine Armee der Erde kann den guten englischen Bogenschützen widerstehen!«
Pembroke meinte: »Ich werde den Soldaten mitteilen, in welchen Schwierigkeiten wir uns befinden.«
Hawksblood donnerte: »Nein! Schlachten werden entschieden, noch ehe sie beginnen. Unsere
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