Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
Vom Netzwerk:
Gesicht wahrscheinlich auch.
    Sie fuhren jetzt an einem Fluss entlang, viel breiter als der Mon,
und in der Ferne war eine Fabrik, die sich allmählich auflöste zu einem
riesenhaften Stahlwerk, Dutzende von langen Hallen, Hochöfen und aufsteigender
Qualm überall. Es sah modern aus, die Gebäude wurden repariert. Da stand ein
Schild mit U.S. Steel, Great Lakes Works . Das
ist Michigan, dachte er. Eins der Werke, das sie nicht geschlossen haben.
Parkplatz voller Autos, so wie früher mal Buell, dahinter liegt die Stadt. Noch
nie so flaches Land gesehen.
    Als sie sich durch einen riesigen Rangierbahnhof schlängelten,
quietschten laut die Bremsen, stopf dir schnell was in die Ohren, Zeit zum
Aussteigen. Die werden hier die Kohle abladen und sehen dich sonst. Pack dein
Zeug. Er stopfte seine Sachen wieder in den Rucksack und zurück nach draußen,
auf die Plattform, kauerte sich hin und dachte, warte nicht, bis der Zug steht.
Der rollte durch den Rangierbahnhof, beinahe bis zum Ende, nur noch
Kriechtempo. Da streckte Isaac den Kopf zur Seite raus und sah auch den Baron,
er kletterte ein paar Waggons vor ihm hinunter. Isaac sprang auf den Boden, der
Baron holte ihn ein.
    Er konnte ihn zum ersten Mal bei Tageslicht betrachten, sein Gesicht
war rot, geschwollen, tief zerfurcht, die Haut sah hart und dick aus, krumme
Nase, ein Auge hing tiefer als das andere, und lauter Knochen, die gebrochen
und nie ordentlich gerichtetworden waren. Sein Gesicht war schief gebaut,
und er war ebenfalls voll Kohlenstaub, erinnerte an etwas gerade aus dem Feuer
Gezogenes.
    »Himmel noch mal«, sagte der Baron, der ihn genauso anstarrte. »Da
hat sich aber jemand an dir ausgetobt, was?«
    Isaac sah ihn nur an.
    »Der hat dir ganz schön das Gesicht verbeult, das meinte ich. Du
hast zwei Veilchen, zueinander passend.«
    »Die waren zu viert«, erklärte Isaac.
    Sie überquerten jetzt die anderen Gleise Richtung Stadt und wichen
flink einer sich nähernden blauen Lok aus.
    »Halt bloß die Augen offen«, sagte der Baron. »Ist nicht zu fassen,
wie leise die rollen. Einmal hat’s mir einen Partner glatt zerteilt. Kannst du
nichts machen, wenn so was passiert.«
    Weitere Gleise, die zu überqueren waren, danach ging es runter und
gleich wieder hoch, durch einen Abwassergraben. Dann standen sie auf einer
kleinen Straße.
    »Sind wir richtig hier?«
    »Klar«, sagte der Baron. »Das heißt hier Ekkers. Und da vorne hast
du die Entladestelle für den Koks.«
    »Ich dachte, du hättest Detroit gesagt.«
    »Jetzt werd mir bloß nicht zickig. Sind bloß fünfzehn Kilometer
Landstraße von hier.«
    Bei ihrem Fußmarsch sahen sie die Industriebauten allmählich in eine
Stadt übergehen, sie passierten ein Gelände voller hoher weißer Vorratstanks,
das Gras ringsum war säuberlich geschnitten, und als nächstes waren sie in
einer Wohnstraße. Da stand ein großes Schild mit einer Aufschrift: »Ecorse.« Ekkers . Name dieser Stadt. Die Häuser waren größer als die
typischen Werkshäuser in Buell, die meisten sahen aber ähnlich schlimm
heruntergekommen aus. Das ist doch ein Fortschritt, machte er sich klar. Du
bist soeben tausend Kilometer näher an dein Kalifornien herangekommen,
vielleicht elfhundert. Wird kaum den ganzen Weg ein Zuckerschlecken bleiben.
    »Gibst du mir das Abendessen aus, wenn ich was finde?«, fragte
der Baron.
    Den muss ich loswerden, so schnell wie möglich, dachte Isaac, er
sagte aber: »Klar. Ich muss allerdings bald nach Süden.«
    »Wirst du auch. Da hinten sind wir an dem zweiten Rangierbahnhof
langgekommen. Brauchen nur noch an den Gleisen längs, zurück bis zu der Stelle,
wo wir von der Hauptlinie weg sind. Da findest du auch deinen Zug.«
    Sie blieben auf der Straße, wo die Häuser immer besser wurden, dann
auch schlechter, schließlich wieder besser. Auf einer Veranda saßen schwarze
Männer in bauschigen Daunenjacken und waren beim Würfelspiel. Sie starrten den
Baron und Isaac an.
    »Geht mal duschen, Scheiße«, sagte einer, und die anderen lachten.
Isaac bereitete sich schon drauf vor, die Beine in die Hand zu nehmen, aber sie
wandten sich wieder ihrem Spiel zu.
    »Eine Wäscherei wär schon was Gutes«, sagte der Baron. »Unser Gepäck
da lagern und uns wieder sauberkriegen. Allerdings geht das auch da, wo wir was
essen.«
    »Ich will bald zu dem Rangierbahnhof.«
    »Bloßes Rumgerenne nützt nichts. Erst mal essen, erst mal sauber
werden, einen Ort zum Pennen finden. Du bist müde, seh ich doch, und wenn du
kurz

Weitere Kostenlose Bücher