Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
Vom Netzwerk:
ausnehmen, ihn quasi
ausweiden und dieGedärme raushängen lassen, damit Jesús sie sich in aller
Ruhe angucken konnte. Gott, dachte er, wie du dich anhörst. Dein Gehirn ist
neben der Spur, Scheiße. Erst mal spritzte er sich Wasser ins Gesicht. Der
Mexikaner hatte ihm die Eier so fest gequetscht, dass er den Geschmack der
aufsteigenden Kotze schon im Mund gespürt hatte. Das war der Augenblick, als er
sich in die Hose machte. »Is kein Witz«, sagte Jesús. »Ich schneid sie ab, wenn
du nich rápido hier Ruhe gibst«. Er spürte die Luft in den Körper reingehen und
wieder raus, spürte das Herz von diesem Mann an seinem Rücken, als wär es das
Herz der Frau, die unter ihm lag, es war widerlich, und er hatte es zugelassen,
bloß schnell wieder unter Wasser und versinken, nie mehr hochkommen.
    Und dieses unglaubliche Scheißknacken, das sich anhörte wie ein
Pistolenschuss, unmöglich zu vergessen, und dann raste er, als ihn der
Mexikaner losließ, Richtung Tür. Und Otto, die hervorquellenden Augen, Otto
weinte Blut, es drang ihm auch aus Mund und Ohren. Isaac wartete an der Tür auf
ihn, er war ein guter Mensch, kein Zweifel, ein verdammt standfester Mensch.
Obwohl er etwas anderes behaupten könnte, war er sich nicht sicher, ob er
selbst, wenn es drauf ankäme, das auch für einen anderen getan hätte. Zu dieser
Art Mensch zählte er nicht, so sah’s aus. Das wusste er auch über sich. Und
Isaac – Poe hätte das vielleicht gewollt, aber geschafft nicht unbedingt. Nicht
unbedingt geschafft, dass seine Füße ihn in diese Richtung trugen. Den Verdacht
hatte er immer schon gehabt, und jetzt war er sich sicher. Aber, dachte er, für
Isaac wär ich zurückgegangen. Nicht für einen anderen, aber für ihn ganz
sicher.
    Otto lag bestimmt noch an der Stelle, wo er umgefallen war. Die
hätten es niemals gewagt, ihn zu begraben – eine Leiche zu begraben, wenn sie
dich dabei erwischen, bist du dran. Er fragte sich, ob sie zu Harris gehen
würden, jeder wusste, Harris hasste Penner, aber die hier wussten es vielleicht
ja nicht. Vielleicht erzählten sie es ihm, und Harris hätte keine andere Wahl,
als das zu überprüfen. War ’ne Weile mit Mom ausgegangen. Ob sie’swohl
getrieben hatten, seine Mutter und Chief Harris? Keine Frage. Einmal hatte
Harris Poe geholfen, als er wegen Körperverletzung verklagt wurde. Das wusste
jeder – Poe war knapp davongekommen, obwohl er den Burschen aus Donora übel
zugerichtet hatte. Diesmal würde ihm Harris nicht mehr helfen können.
    Etwas später kam er raus und zog sich an und ging ins Wohnzimmer.
Vor Erschöpfung konnte er den Kopf kaum noch gerade halten. Es war dunkel, sie
hatte fast alle Lichter ausgemacht, aber auch warm, an dem versengten,
staubigen Dunst merkte er, die Fußleistenheizung war eingeschaltet. Er fühlte
sich schuldig, aber auch erleichtert.
    »War jemand dabei?«, fragte sie.
    »Isaac English.«
    »Geht es ihm gut?«
    »Besser als mir.«
    »Dein Vater kommt.«
    »Hast du es ihm gesagt?«
    »Nein. Dachte nur, ich warn dich lieber.«
    »Heißt das, er kommt ganz zurück?«
    »Ich weiß es noch nicht«, sagte sie. »Wir werden sehen.«
    Er setzte sich ans andere Ende der Couch, und dann zog sie ihn
heran, und er legte den Kopf auf ihren Schoß, an ihren Bauch. Er ließ die Augen
zufallen und dachte nicht mehr an den Mexikaner, hörte ihren Atem im Bauch,
alles wird gut, und er schlief gleich ein.
    So schlief er eine halbe Stunde lang, bis sie den Truck von seinem
Vater in der Einfahrt hörten. Poe stand auf, die Mutter warf ihm einen trüben
Blick zu, er versuchte es mit einem Lächeln, aber ihm war klar, dass er sich
jetzt von Virgil keinen Müll anhören konnte. Er ging in sein Zimmer.
    Dann hörte er seine Eltern reden. Bald würden sie schreien oder
vögeln. Er ging davon aus, dass das Geschrei nicht lange auf sich warten lassen
würde – Virgil kannte er genug, um zu wissen,wohin das führte. Und dann
hörte Poe es krachen, Axt auf Keile, Virgil hackte Holz, das Holz, das Poe doch
hätte hacken sollen. Scheiße, dachte er, o Scheiße Scheiße Scheiße, er hätte da
rausgehen und es tun sollen, jetzt war’s zu spät, er hatte es vermasselt, und
der Alte würde auch noch Lob dafür ernten.
    Ihm fiel wieder Otto ein, er dachte, du musst selber Harris anrufen,
der hat dir schon mal aus der Patsche geholfen, doch dafür war es viel zu spät
– jetzt würden sie nur schuldig aussehen. So einfach war das sowieso nicht.
Streng genommen hatte ja der große

Weitere Kostenlose Bücher