Rot Weiß Tot
ließ sich nicht eruieren. Das Telefon nannte einen »unbekannten Teilnehmer«.
Sarah konnte es nicht gewesen sein. Ihre Nummer wäre in der Anzeige erschienen. Albin war alarmiert. Er holte sich ein Glas Wasser. Während er trank, ging eine Kurzmeldung ein. Text: Kommen Sie zum Heidentor. Nehmen Sie Ihre Kamera mit.
Bergmann hielt also Wort. Und er hatte sich nicht geirrt. Etwas war geschehen. Etwas, über das Albin noch gar keine Mutmaßungen anstellen wollte. Er würde sich früh genug damit auseinander setzen müssen. Er fragte sich bloß, ob Markovics ein drittes Mal umgebracht worden war.
In weniger als zwei Minuten war er angezogen. Als er sein Gesicht unter kaltes Wasser hielt, läutete das Telefon abermals. Diesmal kam er rechtzeitig. Bs war Chefinspektor Damian Bergmann. »Steigen Sie in Ihren Wagen und kommen Sie zum Heidentor«, sagte er knapp.
»Ich bin schon unterwegs«, schnaufte Albin. »Was ist eigentlich los?«
Der Polizist hatte schon wieder aufgelegt.
Albin hastete zu seinem Citroën und fuhr durch die ausgestorbene Stadt nach Osten. Er jagte den ächzenden Wagen viel zu schnell den Ring und den Donaukanal entlang. Zweimal bremste er hart, einmal, als er einen weißen Golf für einen Polizeiwagen hielt, und einmal bei einem Radar. Bei Radarfallen in der Fünfziger-Zone konnte er sogar mit seinen zwei Zylindern und sechshundert Kubikzentimetern zu schnell sein.
Bei der Raffinerie schüttelte es ihn vor Kälte. Er schaltete die Heizung an, wie immer mit einem unbehaglichen Gefühl. Nach unliebsamen Erfahrungen mit unaufhörlich wedelnden Scheibenwischern fürchtete er, dass sich auch das Warmluftgebläse einmal nicht mehr ausschalten lassen würde.
Nach der Abfahrt Fischamend fluchte er über die schlechte Bundesstraße. Trotz unzähliger Verkehrstoter war die Strecke nach Bratislava wegen der Angst der Wiener vor einem Kaufkraftabfluss in die Slowakei noch nicht ausgebaut worden. Die Dunkelheit der Oktobernacht kam dazu. Die Straßendörfer lagen da wie Geisterstädte. Nur lebensgroße Papp-Polizisten blickten Albin mit groteskem Ernst entgegen.
Noch auf der Bundesstraße machte er das Heidentor aus. In Sekundenabständen platzte dort ein kaltes Blau in die Finsternis. Als Albin in Richtung Petronell-Carnuntum abbog, verschwand das Kreisellicht für ein paar Minuten. Gleich darauf sah er es in der Unterführung wieder. Mit jedem Aufleuchten schälte es das Mauerwerk des Heidentores aus der Finsternis.
Vier Wagen standen da, ein Fahrzeug des Gendarmeriepostens Fischamend, ein Rettungswagen, der Wagen der Spurensicherung und, zu Albins Überraschung, eine schwere schwarze BMW-Limousine. Sechs oder sieben dunkle Gestalten bewegten sich am Tatort. In den Bogen des Tores starrte Albin vergeblich. Dort hing diesmal kein Toter. Vielleicht war auch das Licht zu schlecht. Er fuhr näher heran.
Er bemerkte den Mann mit der Schaufel. Der erinnerte an den Tod mit der Sense. Albin klappte das Seitenfenster des 2 CV hoch. »Noch nicht graben«, schrie jemand.
Albin konnte sich keinen Reim darauf machen. Er dachte an den Fotoapparat. Die Kompaktkamera mit dem zweiten Film vom Ausflug mit Arko lag am Boden unter der Bank im Fond.
Er stieg aus und hielt nach Bergmann Ausschau. Da kam der Chefinspektor schon auf ihn zu. Entsetzt zeigte er auf den Citroën. »Was um Gottes Willen ist das?«, fragte er, als wäre der Wagen noch schlimmer als ein Leichenfund.
Nach einem Schreckmoment wurde alles zum Thema für ironische Pointen, dachte Albin.
»Das ist mein Auto«, sagte er trocken.
»Mein Beileid«, sagte Bergmann und zeigte auf die BMW-Limousine. »Was sagen Sie dazu?«
»Ist der Innenminister persönlich da?«
Bergmann lachte. »Das ist mein neuer Dienstwagen. Ein Siebener mit Lederpolsterung, Standheizung, Bordcomputer und überhaupt allem, was Sie sich nur wünschen können. Ich habe ihn erst heute übernommen, vom Gesundheitsstaatssekretär. Wenn die hohen Herren ein paar hunderttausend Kilometer mit den Schlitten gefahren sind, kommen sie bei uns noch jung an Jahren ins Ausgedinge.«
Albin hörte nicht zu. Nervös trat er von einem Bein auf das andere. Er fror noch immer oder schon wieder. Er verstand nicht, wie Bergmann derart gelassen sein konnte. »Was hat die Schaufel zu bedeuten?«, fragte er.
»Riskieren Sie einen Blick«, sagte der Polizist und zeigte zum Heidentor. Jetzt presste er die Zähne aufeinander. »Halten Sie sich fest. Was Sie sehen werden, wird Ihnen nicht
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