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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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gesehen.«
    »Sie hat Ihnen nachgespäht, als Sie das Haus verließen.«
    »Was hat die Überprüfung von Olga Dacia vor zwei Jahren ergeben?«
    »Nur, dass sie ihre Jobs teilweise schwarz macht. Dafür fühlten wir uns allerdings nicht zuständig.«
    »Sie haben die Frau damals angetroffen?«
    »Wundert Sie das?«
    »Ich dachte, sie wäre mit Markovics verschwunden.«
    »Sie hat in den letzten beiden Jahren ihre Miete immer pünktlich bezahlt«, sagte der Chefinspektor. »Auch Strom, Gas, Telefon und Kabelfernsehen.«
    »Was bedeutet das?«
    »Dass sie vielleicht etwas mit der Sache zu tun hat, vielleicht auch nicht.«
    »Ich denke, sie hat etwas damit zu tun. Markovics wollte sie nie treffen, um seine kreativen Impulse nicht zu behindern. Doch sie ist ihm heimlich nachgefahren. Anscheinend hatte sie ein Faible für ihn. Markovics fühlte sich beobachtet, ohne zu wissen, von wem.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Recherchen.«
    »Sie sind ein guter Journalist«, lobte Bergmann.
    »Ich recherchiere auf eigene Faust«, gestand Albin. »Wenn nicht bald eine Geschichte abfällt, muss ich aussteigen oder mit Problemen in der Redaktion rechnen.«
    »Ich kenne Ihr Geschäft«, sagte der Chefinspektor. »Leider habe ich das ungute Gefühl, dass es bald genug zu schreiben geben wird.«
    In väterlichem Befehlston fügte er hinzu: »Unterrichten Sie mich über jeden Ihrer Schritte. Wenn ich etwas erfahre, worauf Sie früher oder später auch von selbst kommen würden, rufe ich Sie ebenfalls an.«
    »Worauf ich früher oder später selbst kommen würde?«
    »Wie gesagt, Sie sind ein guter Journalist. Früher oder später würden Sie das meiste selbst herausfinden.«
    Albin freute sich über das Lob. Er wollte das Gefühl abschütteln, denn es war, wie von gefährlichen Früchten zu naschen: Bergmann war ein Polizist, der wohl in irgendeiner Phase seiner Karriere eine Uniform getragen hatte. Der Chefinspektor gehörte zu genau dem Behördenapparat, zwischen dessen Mühlen Albin ohne Sarah wahrscheinlich zugrunde gegangen wäre.
    In einem Punkt musste Albin dem Polizisten Recht geben: Auch er spürte, dass etwas geschehen würde und dass es nichts Erfreuliches sein würde. Und er war dazu verdammt weiterzumachen. Sonst würde Ronald Markovics wieder als Gespenst durch sein Leben geistern. Albin stellte sich vor, wie eine schwarz gekleidete Leiche durch den oberen Stock des Studios wandelte und mit blinden Augen die weißen Hände nach ihm reckte, wenn er unter der Dusche stand.
    »Gefällt dir die neue Redaktion nicht?«
    Albin schluckte. Es war so weit. Diesmal stellte sein Ressortleiter die Frage. »Ich hatte Termine«, antwortete Albin. »Ich mache sie immer am Tagesrand aus, um mir Wege zu ersparen. Es ist nicht so, dass ich erst um zehn Uhr komme und um vier schon wieder nach Hause gehe.«
    »So war es nicht gemeint. Du schaust nur so griesgrämig drein, seit wir hier sind. Bist du an einer spannenden Sache dran?«
    »Ich weiß es noch nicht. Es ist eher für die Chronik.«
    »Eher?«
    »Es ist für die Chronik. Ich meine, es wäre für die Chronik.«
    Vogel zog schweigend ab. Albin trat hinter Daniel, der gerade eine E-Mail schrieb. »Hast du das gehört?« fragte er ihn.
    »Nein.« Daniel war desinteressiert. »Was ist los?«
    Albin antwortete nicht und Daniel fragte nicht nach.
    Albin stürzte sich umso heftiger in die Arbeit. Davor gab es genug. Bei dem Metallkonzern, dessen Betriebsrat er nicht mehr erreichen konnte, war die Hölle los. Die holländischen Eigentümer wollten den österreichischen Standort schließen und die Produktion nach Rumänien verlagern. Albin und Daniel mussten Stellungnahmen der Geschäftsführer, der Arbeitnehmervertreter und der Politiker einholen.
    Auf dem Heimweg gegen zwanzig Uhr bemerkte Albin, dass seine düstere Vorahnung wie eine hinterlistige Infektion unbemerkt stärker geworden war. Seine Augen brannten, er war erschöpft und das Gemüsesandwich vom Türken in der Barnabitengasse schmeckte ihm heute nicht. Im Studio sammelte er seine Kleidung zusammen, um sie am Wochenende in einen Waschsalon bei der Stadthalle zu bringen. Schon gegen elf Uhr schlief er ein.
    Um 3.45 Uhr weckte ihn sein Handy. Es hing am Ladegerät in der Nähe des Bettes. Er fand es erst nach dem vierten oder fünften Läuten. Zu spät drückte er die grüne Annahme-Taste. Verdattert schaltete er das Licht an, das zwischen den Spiegeln seines Schlafgemaches kalt und unbehaglich blieb. Doch der nächtliche Anrufer

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