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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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Kamera. Albins ohnedies verquere Gedankengebäude über diesen Fall stürzten in sich zusammen.
    Albin schloss die Augen. Ihm war noch immer schlecht. Sein Zungenschlag wäre beim Sprechen nach wie vor schwer gewesen. Seine Füße fühlten sich weiterhin an, als würden sie bei jedem Schritt fünfzig Zentimeter tief im Boden versinken. Doch als er die Augen wieder öffnete, hing das Bild noch immer an der Wand. Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten?
    Albin berührte eine Taste des Computers. Sofort leuchtete der Bildschirm auf. Es war, als wäre jemand bloß für einen Augenblick von der Arbeit aufgestanden und käme gleich wieder zur Tür hereinkäme. Albin befühlte den Boden des Gerätes. Der war kalt.
    Er fand drei Ordner mit den Namen »Schweinematratze«, »Schweinematratze B« und »Schweinematratze X«. Albin öffnete die Version X. Darin lagen Dokumente mit den Bezeichnungen »Kapitel 1« bis »Kapitel 28«. Mehr brauchte er nicht zu wissen. Markovics hatte seinen Ausstieg inszeniert, um hier in aller Ruhe den Roman zu schreiben, für den er selbst die Grundidee gehabt hatte.
    Ungeachtet seiner stärker werdenden Kopfschmerzen stöberte Albin weiter. Halb unter dem Bett entdeckte er ein paar ungeheftete Seiten in einem Wäschekorb. Es waren kroatische Texte über die Inselgruppe, die jemand ins Deutsche übersetzt hatte. Zweifellos Olga Dacias Arbeit.
    Zwischen den Kopfkissen des Bettes entdeckte Albin eine Puppe aus gelbem Gras und grauem Draht. Sie war so lang wie sein Unterarm und hatte einen quer liegenden Eierkopf. Die Augen und der Mund waren aus Olivenkernen gemacht. Um ihren Hals hing ein Brief. Rasch und mit zitternden Händen steckte ihn Albin ein. Er wusste nicht, wo der Fischer auf ihn wartete. Er spürte nur, dass es Zeit war zu gehen.
    Er nahm das Bild von der Wand, klappte den Computer zu und schlug beides in einen Kissenbezug ein. Falls er dabei war, Beweismaterial zu unterschlagen, war ihm das egal. Wenn er jetzt nicht handelte, würde es niemand tun. Schließlich spielte der Leiter der Sonderkommission selbst, gelinde gesagt, eine mysteriöse Rolle in diesem Fall.
    Mit seiner Beute trat Albin vor die Tür. Der Brunnen, der Olivenbaum und das Pinienwäldchen lagen verlassen in der warmen Sonne. Markovics hatte einen wundervollen Platz gefunden, dachte Albin. Hier hatte er in aller Ruhe schreiben und spazieren gehen, das Meer betrachten und mit dem Boot ausfahren können. Warum, um Himmels willen, hatte er sterben müssen?
    Und wo, um Himmels willen, war der alte Fischer? Albin konnte den Mann nirgendwo sehen. Er wurde nervös. Er wollte neben den Olivenbaum kotzen, doch außer einem grässlichen Würgen kam nichts aus seiner Kehle. Er nahm das Handy aus der Tasche. Kein Empfang.
    Albin wurde immer nervöser. Was hatte ihm Bergmann verheimlicht, und warum? Wenn selbst der Polizist ein doppeltes Spiel spielte, waren vielleicht auch seine Schutzengel in Wahrheit vom Teufel geschickt. War der Fischer tatsächlich ein Verräter, konnte er nur noch das Haus anzünden und mit Rauchzeichen kommunizieren.
    Er musste nachsehen, ob das Boot noch hinter der Steinmauer lag. Er wusste nur nicht mehr, aus welcher Richtung sie gekommen waren. Zum Meer ging es überall. Pfade durch das trockene Gras gab es Dutzende.
    Halbherzig entschied sich Albin für Süden. Nach fünf Minuten Fußmarsch stellte er sich vor, wie er hier in dreißig Jahren als eine Art Robinson Crusoe gefunden werden würde. Mit langem Bart und allem Drum und Dran. Sollte ihm nicht vorher jemand den Schädel einschlagen oder er verdursten. Würde es sich dafür gelohnt haben, die Jugendstrafanstalt zu überleben? Sing me back home, säuselte es im gelben Gras.
    Er würgte noch einmal mit trockener Kehle. Die Tränen schossen dabei in Bächen aus seinen Augen. Er wollte den Fischer rufen, doch er wusste seinen Namen nicht. »Hallo!«, rief er schließlich nur und war sich der Sinnlosigkeit des Versuches bewusst. Wenn der Mann in ein Komplott verstrickt war, würde er sich nicht melden. Wenn nicht, würde er ihn wegen seiner Angst auslachen.
    Hundert Meter weiter fragte er sich, wo er im Falle seines Todes in Wien statt auf diesem namenlosen Atoll begraben worden wäre. Vielleicht hätte ihm Sarah ein Rechteck mit Grabstein und der Aufschrift Albin Fischer auf dem Zentralfriedhof beschafft. Albin mochte den Zentralfriedhof nicht, auf dem mehr Tote lagen, als Wien Einwohner zählte. Im Fall seines Todes in Wien wünschte er sich,

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