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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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einer weißen Jacht wollte einmal das alte Haus hinter dem Hafen kaufen und eine eigene Mole bauen«, sagte der Wirt. »Er bot mehr Geld, als alle Häuser des Ortes zusammen wert sind. Doch er hat das Vertrauen der Leute nicht gewonnen.«
    Vom Tisch hinter Albin wurde dem Wirt etwas zugerufen. Ein kurzes Gespräch entspann sich. Albin verstand nichts. »Das war unser Fleischer«, erklärte der Wirt schließlich. »Er hat zugehört. Er will Ihnen helfen. Unter bestimmten Bedingungen würde er Ihnen vertrauen.«
    »Was für Bedingungen?«
    »Sie müssen beweisen, dass Sie ein Mann sind.«
    Albin wusste, dass ein Mann zu werden ein langer und schwieriger Weg war. Er nahm an, dass er ihn beschritt. Wie er das beweisen sollte und wie weit er schon war, wusste er nicht.
    Er sah sich nach den Gästen hinter ihm um. Sie waren sechzig oder noch älter und trugen offene Baumwollhemden. Sie hoben ihre Biergläser mit gemessenen Bewegungen, doch aus ihren Augen leuchtete eine Ausgelassenheit wie bei einer Gruppe Schuljungen. Keiner sah wie ein Fleischer aus.
    »Was muss ich tun?«, fragte Albin den Wirt. Im gleichen Moment bemerkte er ein Wasserglas neben seiner Cola. Es war halb voll mit einer klaren Flüssigkeit.
    Albin war enttäuscht. Er hatte eine Mutprobe nach lokalen Riten erwartet. Eine Herausforderung. Eine, die ihn so richtig munter machen würde. Und nun das. Schnaps. Er stürzte den Inhalt des Glases in einem Zug hinunter. Er wollte es hinter sich bringen, ehe er die möglichen Folgen dieser Tat überdenken konnte.
    Danach konnte ihn nur noch Bewegung aufrecht halten. Er wollte umgehend aufbrechen. »Können wir gehen?«, fragte er den Wirt, überrascht über seinen schweren Zungenschlag.
    »Alles klar«, antwortete der. »In zwanzig Minuten ist es so weit.«
    Zwanzig Minuten? Die würde er auch noch durchhalten, dachte Albin. Er konnte inzwischen einen Spaziergang machen. Während er so überlegte, verlor er schon den Halt. Im Fallen fand er, dass Schweben ein schönes Gefühl war.
    Er schlug hart am Boden auf. Die Welt drehte sich in immer schnelleren Kreisen um ihn. Er hörte die Männer lachen. Anscheinend tauschten sie Geld aus. Hatten sie Wetten abgeschlossen? Egal, es tat gut, zu liegen.
    Der Wirt redete auf ihn ein. War das Kroatisch? Wehrlos musste sich Albin zu seinem Wagen schleifen lassen. Ja, die Männer hatten gewettet. Sie hatten ihn schwer geschafft zur Tür hereinkommen sehen. Der Sieger der Wette hatte darauf gesetzt, dass ihn der Schnaps binnen drei Minuten umhauen würde. Die Verlierer hatten ihm fünf Minuten gegeben.
    Der Wirt wollte Albin in den Wagen hieven. Er durchsuchte seine Hosentasche nach dem Autoschlüssel. Doch Albin stieß ihn weg. Er blieb mit dem Rücken an seinen Wagen gelehnt allein sitzen. Catch the wind, summte das Meer.
    Nach zwanzig Minuten reglosen Verharrens wollte er sich an der Mole im Meer erfrischen. Er rutschte mit dem Rücken am Wagen hoch. Eine verbogene Niete seiner Jeans schabte einen langen Kratzer in die Fahrertür. »Entschuldige«, sagte er zu dem Citroën und griff ins Leere, als er ihm die Kühlerhaube tätscheln wollte.
    Er fand, dass er sich auf dem Weg zur Mole nicht wesentlich von anderen Passanten unterschied. Er knallte bloß zweimal der Länge nach auf den Steinboden. Beim zweiten Mal, weil er über einen Haufen Bootstaue gestolpert war.
    Am Kai kotzte er kräftig ins Meer und blieb benommen sitzen. Neben ihm lag der blaue Kahn von Olga Dacias verstorbenem Vater. Über die Kajüte war aus rohen Brettern eine Hütte mit einem blechernen Rauchfang gebaut. Der Mast war in einem Meter Höhe gekappt worden und diente als Tischbein.
    Nach zehn Minuten tuckerte ein weißes Holzboot heran, eine Nussschale mit Außenbordmotor. Darin stand der alte Mann vom frühen Morgen, ein Fischer, wie sich jetzt herausstellte. Er deutete auf Albin und hob den Daumen. Das konnte nur heißen, dass er ihn mitnehmen wollte. Albin konnte es kaum glauben. Entweder hatte er im Auto sein Vertrauen gewonnen, oder er hatte wirklich einen Schutzengel.
    Albin ließ sich ins Boot plumpsen. Beinahe wäre er im Wasser gelandet. Der Fischer lachte und fuhr los. Unterwegs auf das offene, dunkelblaue Meer kotzte Albin noch einmal fünf Minuten lang ins Wasser. War das eine Beleidigung der Fische? Wie auch immer. Er war machtlos dagegen. Der Fischer sagte kein Wort. I am a poor wayfaring stranger, sang der Dieselmotor des Bootes.
    Weiter draußen auf dem Meer wurde es immer wärmer. Anfangs

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