Rot Weiß Tot
dass seine Asche in den Wind gestreut wurde. In einer anonymen Straße. Denn es ging nicht um den Ort, sondern um den Wind.
Nur der Gedanke an den doppelbödigen Chefinspektor Damian Bergmann verhinderte, dass ihn Melancholie und Hoffnungslosigkeit endgültig einholten. Beinahe hätte er dem Polizisten vertraut. Erst im letzten Moment hatte er den Fehler eingesehen. Und dann das. Er schüttelte den Kopf. Auf seinem Weg über die Insel schien Bergmann auf einmal überall zu sein: Die Hitzewolken hatten sein Gesicht, in der Luft lag sein zynisches Lachen und der Wind roch nach seinem Kräutertee im Domcafé.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie so lange habe warten lassen.«
Auch das verstand der Fischer natürlich nicht. Er hatte seelenruhig bei seinem Boot gewartet und bedeutete Albin mit einem Lächeln, dass er seine Hilferufe gehört hatte. Albin sollte sich anscheinend darüber freuen.
Der wollte sich seine Erleichterung nicht anmerken lassen. »Ich muss so schnell wie möglich zurück nach Wien«, sagte er, als redete er nicht mit einem Fischer von den Kornaten, der ihn nicht verstand, sondern mit einem Taxifahrer, den er eben in Vösendorf angehalten hatte.
Als sie über die dunkelblaue Wasserstraße zurück auf das offene Meer fuhren, betrachtete der Alte Albins Bündel. Es lag kein Argwohn in seinem Blick, trotzdem schlug Albin den Kissenbezug auf. Der Fischer sollte nicht glauben, dass er etwas gestohlen habe.
Der Mann betrachtete unentschlossen den Computer. Albin drückte ihm seine Visitenkarte und den Führerschein in die Hand. Der Alte tat im Spaß so, als behalte er den Führerschein. Schließlich gab er ihn lachend zurück. Die Visitenkarte steckte er blitzschnell ein.
Albin lachte ebenfalls.
Auf dem Weg zurück nach Rumin sah sich Albin mehrmals nach Verfolgern um. Hinter ihnen lag jedes Mal nur ihre eigene Spur im Meer. Nach einer halben Stunde wurden die kleinen Inseln vom Dunst verschluckt. Albin war nicht mehr ganz sicher, ob es sie wirklich gab. Er nickte ein, bis das Boot an der Mole von Rumin gegen einen zerschlissenen Autoreifen stieß.
Ihn schwindelte vor Hunger. Gleichzeitig war ihm noch immer schlecht. Wie sollte er sich von dem Alten verabschieden? Würde er Geld annehmen? Versuchen musste er es. Albin griff nach seiner Börse und sah dem Mann dabei in die schwarzen Augen. Der schüttelte leicht den Kopf.
Albin sprang an Land. Der Alte fuhr wieder aufs Meer hinaus, ohne sich noch einmal umzublicken. Was für ein Fehler, dachte Albin. Jetzt hatte er ihn auch noch beleidigt. »Danke«, rief er dem Boot nach, das dorthin fuhr, wo angeblich die heilige Musik von Olga Dacias Vater schwebte.
Das nächste Problem war so schnell da, dass er das alte gleich wieder vergaß: Sein Wagen war verschwunden. Wo er gestanden hatte, breitete sich jetzt ein kleiner Markt aus. Neben einem Steintisch mit Fischen wurden Olivenöl, Wein, Schinken, Kräuterschnaps, getrocknete Feigen und Mandarinen verkauft. Albin hätte die Szene heiter gefunden, wäre nur seine alte Kiste noch da gewesen.
Er wollte sich in dem Café am Hauptplatz erkundigen. Unterwegs dorthin piepste sein Handy. Offenbar hatte er wieder Empfang. Er zog das Telefon aus der Tasche. Ein kleines Kuvert war links unten erschienen. Eine Kurzmeldung. Er öffnete sie. »Es ist vorbei«, stand dort.
Bergmann, dachte er. War das Bergmann? Und was war vorbei? Er spürte die Kraft, sich auf der Stelle in den Wagen zu setzen und ohne Pause zurück nach Wien zu fahren.
Der Wirt eilte ihm entgegen. »Ihr Wagen steht hinter der Kirche«, rief er. Anscheinend plagte ihn das schlechte Gewissen. »Er musste wegen dem Markt weggebracht werden. Ein Reifen ist geplatzt.«
»Ein Reifen?« Albin stellte sich Bergmann vor, wie er ihm in seinem dunklen BMW gefolgt war und ein Springmesser in einen seiner Pneus gerammt hatte.
»Der Tankwart nimmt sich der Sache schon an«, sagte der Wirt. Er behielt dabei sein Café im Auge, als fürchtete er, jemand könnte die Tischtücher klauen.
»Danke«, sagte Albin.
Er kaufte ein halbes Weißbrot, um nicht vor Hunger umzufallen. Er zahlte mit einem Zehneuroschein und bekam viele Kuna heraus. Am liebsten hätte er sich das Brot an Ort und Stelle in den Mund gestopft.
Sein Wagen stand hinter der kleinen Dorfkirche. Es war wie ein Wiedersehen mit einem alten Freund. Die hängenden Scheinwerfer kamen Albin vor wie ein schüchtern gesenkter Blick. Besitz schuf anscheinend so etwas wie Heimat. Andererseits war der
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