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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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zu dem kauenden Hund. »Ich kümmere mich um dich.«
    Albin seufzte. Anscheinend hatte sie eine Vorliebe für Geschöpfe aus Heimen.
    In einer weiten Runde durch die Au gingen sie zum Tierheim zurück. Albin stellte sich vor, wie es wäre, wenn der entscheidende Durchbruch bei der Aufklärung der beiden Morde nicht der Polizei, sondern ihm selbst gelänge. Er hatte in letzter Zeit schon viel Glück gehabt, also weshalb nicht auch dieses Mal? Vielleicht würden sie ihn im Fernsehen zeigen. Das kam manchmal vor, wenn Zeitungsschreiber unter spektakulären Umständen exklusive Geschichten recherchierten.
    Seiner Meinung nach konnte es Journalisten aber nur schaden, wenn sie hinter dem Vorhang der Redaktion hervortraten und selbst zum Thema wurden. Das war, wie wenn ein Kellner auf der anderen Seite der Theke Platz nahm und sich voll laufen ließ. Deshalb hätte er so einen Auftritt abgelehnt. Ein paar Augenblicke gab er sich trotzdem der Vorstellung hin.
    Menschen, die ihn kannten, würden ihn sehen. Zum Beispiel der Richter und die Schöffen, die ihn damals verurteilt hatten. Die Jugendbeamten, die ihm seinen Namen gegeben hatten. Sie würden sich noch an ihn erinnern.
    Vielleicht würde ihn sogar seine leibliche Mutter sehen. Er fragte sich oft, ob sie sein Schicksal verfolgt hatte. Vielleicht war sie gar nicht untergetaucht, verschollen, weit weg in der Ferne oder gar gestorben. Vielleicht hatte sie damals aus der Zeitung seinen neuen Namen erfahren und ihn seither nicht mehr aus den Augen verloren.
    Immer wieder hatte er mit diesem Gedanken gespielt. Im Waisenhaus, in all den Heimen, im Gefängnis, als er Sarah kennen gelernt hatte, und als er die erste Visitenkarte mit seinem Namen darauf und dem Wort Redakteur darunter in der Hand gehalten hatte.
    Vielleicht würde ihn auch einer von den anderen Jungen aus dem Strafvollzug sehen. Albin wusste nicht genau, ob ihm das Freude bereiten würde. Der Prozentsatz der Rückfalltäter war enorm hoch. Bergmann hatte Recht: Wer als Jugendlicher einsaß, schaffte es in den seltensten Fällen, hinterher ein normales Leben zu führen. Albin hatte nicht das Bedürfnis, vor seinen einstigen Mithäftlingen aufzutrumpfen. Er hatte manchmal sogar ein schlechtes Gewissen, weil sich nur ihm dieser andere Weg eröffnet hatte.
    Seine Hand streifte im Gehen wie zufällig Sarahs Hüfte. Er fühlte den weichen Stoff ihrer Cordhose. Er sah sie nicht an und sie bemerkte es wohl gar nicht. Für ihn war es trotzdem wie eine Umarmung.
    Da läutete sein Telefon. Hanna Goldmann rief an. Er erkannte ihre Stimme trotz des schlechten Empfangs und des metallischen Widerhalls sofort. »Hallo, Frau Goldmann«, sagte er laut, damit auch Sarah wusste, mit wem er redete.
    Zuerst hörte er nur zusammenhanglose Wortbrocken. Dann war es still.
    »Hallo, sind Sie noch da?«
    Da war sie wieder: »Ich sagte, dass ich von dem zweiten Mord gehört habe.«
    »Hier ist die Verbindung sehr schlecht.«
    »Wissen Sie, wer die Tote ist?«
    »Sagt Ihnen der Name Olga Dacia etwas?«
    Ein Knacken im Telefon. »Nie gehört.«
    Albin verfluchte das schlechte Mobilnetz. Vielleicht hätten Nuancen in der Stimme der Frau mehr als ihre Worte verraten. »Hat Markovics je von der Frau erzählt, die seine Tonbänder abgetippt hat?«
    »Ich weiß nur, dass es sie gab. Er wollte sie nie kennen lernen. Ist sie die Tote?«
    »Es sieht so aus.«
    »Wie ist das möglich?«
    Vielleicht spielte ihm Hanna Goldmann auch alles nur vor. Vielleicht hatte sie zuerst Markovics und jetzt Olga Dacia ermordet. Weil ihr Hass so groß geworden war. »Ich dachte, Sie wissen über seine Beziehungen Bescheid«, sagte er.
    »Affären«, sagte Hanna Goldmann mit metallisch zerhackter Stimme. »Er hatte keine Beziehungen. Behauptete er jedenfalls. Ich zweifle allerdings seit geraumer Zeit daran.«
    Albin blieb abrupt neben einem Weißdornbusch stehen, weil der Empfang hier klarer war. Er spürte, dass Hanna Goldmann an einer Schwelle stand. Bisher hatte sie mit der sanften Ironie einer erfahrenen Frau über ihre unglückliche Liebe zu Markovics geplaudert. Jetzt klang sie, als würde sie ihm gleich die Tür zu ihren wahren Gefühlen öffnen.
    »Dann hat er Sie belogen?«, fragte Albin.
    »Am Schluss hat er sich verändert. Ich weiß nicht, warum. Diese Frage beschäftigt mich in der letzten Zeit mehr als alles andere. Sein Tod hat daran nichts geändert.«
    Albin verstand auf einmal, wie sie sich fühlen musste. Sie kam noch immer nicht los von Markovics.

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