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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Schlange einreihen. Mit seinem blonden Haar sieht er selbst aus wie ein Novemberkuchen und fügt sich perfekt in das Bild ein.
    »Ihre Tante ist eine tüchtige Frau«, sagt George Holly zu mir.
    »Dory Maud?«
    »Genau die.«
    Wenn Dory Maud ihm erzählt hat, dass wir verwandt sind, fange ich wieder mit dem Spucken an. »Sie ist nicht unsere Tante.«
    Er hat so viel Anstand, verlegen zu sein. »Oh, Entschuldigung. Sie wirkten so vertraut mit ihr. Ich wollte nicht unhöflich sein.«
    »Hier auf Thisby sind alle vertraut miteinander«, erläutere ich. »Bleiben Sie einen Monat und sie ist auch Ihre Tante.«
    Finn lächelt Richtung Fußboden.
    »Oh«, sagt George Holly. »Welch verlockende Vorstellung.«
    Wir rücken in der Schlange vorwärts. Finn dreht den Kopf fast ganz herum wie eine Eule, um all die Tabletts, all die Möglichkeiten sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
    »Laut Mr Kendrick ist Ihr Pony ein ganz schöner Flitzer«, plaudert Holly ungezwungen. Ich höre, wie jemand auf der anderen Seite des Tresens »knallrote Mütze« sagt.
    »Pferd.«
    »Hmm?«
    »Dove hat eins zweiundfünfzig Stockmaß. Also Pferd. Ach, hat er das gesagt?«
    »Oh, verzeihen Sie, Madam«, sagt Holly, weil sich soeben Mary Finch auf dem Weg zum Fenster zwischen ihm und einem Regal hindurchquetscht und ihre Hand ihn an einer etwas unglücklichen Stelle gestreift hat, was für ihre Begriffe bestimmt kein bedauerlicher Umstand war. Holly tritt etwas näher an den Tresen und muss sich kurz sammeln, bevor er sich wieder mir zuwendet. »Am Strand erzählt man sich, dass er gesagt haben soll, wenn Ihr Pony – Pferd – geradeaus läuft, wo die Capaill Uisce nach rechts ziehen, könnten Sie recht gute Chancen haben.«
    Ich frage mich, ob Sean das wirklich für möglich hält. Ich frage mich, ob ich das wirklich für möglich halte. Muss ich doch eigentlich oder warum wäre ich sonst hier? »Tja, ich würde sagen, das ist der
    Plan. Wo wir gerade bei Sean Kendrick sind, wie gut kennen Sie ihn denn?«
    Mary Finch drängelt sich zurück an George Holly vorbei und seine Augen weiten sich einen winzigen Moment, als ihm eine weitere Portion der hiesigen Gastfreundlichkeit zuteilwird. Ich verkneife mir mühsam das Lachen.
    »Oh«, sagt er. »Na ja, ich bin hier, um mir ein paar Malvern-Pferde anzusehen, und dabei sind wir uns begegnet. Er ist schon ein ziemlich ungewöhnlicher Bursche, aber genau deswegen kann ich ihn so gut leiden.«
    Finn tippt an das Glas der Theke, um Hollys Aufmerksamkeit auf den Kuchen dahinter zu lenken. Einen Moment lang liegt in ihren Augen derselbe kindlich-sehnsüchtige Blick, der angesichts der kaum zwei Meter langen Schlange, die sie noch von den Köstlichkeiten trennt, ein bisschen ulkig wirkt.
    »Und Sie?«, fragt Holly dann. »Wie gut kennen Sie Sean Kendrick?«
    Meine Wangen beginnen zu glühen, was mich furchtbar wütend macht. Zum Teufel mit diesen roten Haaren und allem, was damit zusammenhängt! Mein Vater hat einmal gesagt, dass ich nicht so zum Erröten oder Fluchen neigen würde, wenn ich nicht die roten Haare meiner Mutter geerbt hätte. Was absolut unfair ist. Ich fluche oder erröte fast nie, auch wenn ich in den letzten paar Tagen allen Grund zu beidem gehabt hätte. Ich finde, in Anbetracht meiner derzeitigen Situation bin ich ziemlich ausgeglichen.
    Finn starrt mich erwartungsvoll an, so neugierig ist er auf meine Antwort auf Hollys Frage. »Ein bisschen. Wir verstehen uns ganz gut.«
    »So wie Sie und Ihre Tante?«, will Holly wissen. Als ich ihm einen scharfen Blick zuwerfe, versucht er es weiter: »Wie Cousins? Geschwister?«
    »Sagen wir, ich kenne ihn nicht so gut wie Mary Finch Sie«, erwidere ich. Als er mich verblüfft anblickt, mache ich eine kleine Grapsch-
    geste und er zuckt zusammen, als bekäme seine untere Körperhälfte ihre Aufmerksamkeit noch einmal zu spüren.
    »Na schön«, murmelt Holly.
    Wir erreichen den Tresen, wo Bev Palsson uns mit Kuchen versorgt. Finn kauft mit Dory Mauds Geld eine geradezu unverschämte Menge Zimtschnecken. Als wir endlich alles haben und wieder draußen vor der Tür stehen, wo Dove angebunden ist, drängt Finn George Holly dazu, einen der Novemberkuchen auszuwickeln, um seine Reaktion zu beobachten. Holly beißt hinein, und während ihm der Honig übers Kinn rinnt, schließt er vor so offensichtlicher Wonne die Augen, dass es schwer zu beurteilen ist, ob er es nur Finn zuliebe tut.
    »Ich habe mal gehört«, sagt Holly schließlich, »dass Essen in der

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