Rot wie das Meer
Gedanke, dass das wahrscheinlich mehr wert ist als alles andere.
Das einzig Schlimme ist, dass mir, je öfter ich ihn und Corr zusammen sehe, immer bewusster wird, wie unerträglich es für Sean wäre, ihn zu verlieren.
Aber wir können nicht beide gewinnen.
Sean Eine Woche lang reiten wir zusammen, bis ich mich kaum noch an meine Gewohnheit erinnere, früh am Morgen zu trainieren. Die einsamen Stunden am Strand fehlen mir, aber nicht so sehr, dass ich sie gegen Pucks Gesellschaft eingetauscht hätte. An manchen Tagen reden wir kaum miteinander, darum bin ich mir nicht sicher, warum es überhaupt ein Unterschied ist. Aber Corr und ich haben schließlich auch noch nie Worte gebraucht.
Und so vergehen Stunden, in denen ich Corr langsam reite und nach und nach in ihm wach kitzle, was längst da ist, und Stunden, in denen ich Puck dabei zusehe, wie sie sich immer etwas Neues ausdenkt, um ihr Pferd bei Laune zu halten. Doves Heubauch ist verschwunden, entweder durch das regelmäßige Training oder besseres Futter. Auch Puck verändert sich – sie wirkt jetzt ruhiger, wenn sie reitet. Selbstbewusster, ohne diese trotzige Gereiztheit. Die Wandlung, die sich bei Pferd und Reiterin vollzogen hat, seit ich die beiden vor Wochen zum ersten Mal im flachen Wasser unten am Strand gesehen
habe, ist erstaunlich. Ich frage mich schon lange nicht mehr, warum ich mit ihr zusammen trainiere.
Ich bin nicht sicher, wann genau mir zum ersten Mal aufgefallen ist, dass Corr sich anstrengt, nicht sehr, aber immerhin, und Dove trotzdem mit uns Schritt hält. Selbst nach einer vollen Stunde Training. Selbst mit einem Capaill Uisce an ihrer Seite.
Ich zügle Corr. Er stolpert in gespielter Tollpatschigkeit, um die Aufmerksamkeit der Stute zu erregen, und ich ziehe kurz an den Zügeln, um ihn daran zu erinnern, dass ich da bin. Puck braucht einen Moment, bis sie bemerkt, dass wir stehen geblieben sind. Sie kommt zurück. Doves Flanken heben und senken sich und ihre Nüstern sind gebläht, aber ihre Ohren sind noch immer aufgestellt, zu allem bereit.
»Vielleicht habt ihr wirklich eine Chance«, sage ich.
Puck blickt mich an, halb die Stirn gerunzelt, halb lächelnd. Sie hat mich nicht gehört. Ich wiederhole meine Worte. In dem Moment, als sie versteht, was ich gesagt habe, verschwindet ihr Lächeln.
»Das ist doch nicht dein Ernst«, entgegnet sie.
»Mein voller Ernst. Du solltest morgen mir ihr runter zum Strand gehen, um dich zu vergewissern, dass du sie noch immer unter Kontrolle hast, wenn die anderen dabei sind. Zur Gewöhnung.«
Jetzt hat das Stirnrunzeln auch die letzte Spur des Lächelns vertrieben. »Und du meinst, dafür reichen ihr zwei Tage? Nicht besonders viel Zeit.«
»Nicht sie soll sich daran gewöhnen. Sondern du. Und es ist noch ein Tag Zeit, nicht zwei«, erinnere ich sie. Corr tänzelt auf der Stelle und ich beruhige ihn mit einem Druck meiner Waden. »Am letzten Tag ist der Strand für Pferde gesperrt. Morgen ist die letzte Gelegenheit, auf Sand zu trainieren.«
Dove kratzt sich mit einem Hinterhuf am Bauch wie ein Hund. Dabei wirkt sie nicht gerade wie eine Rennfavoritin und Puck scheint dasselbe zu denken, denn sie verdreht ärgerlich die Augen und tippt Dove mit dem Stiefel in die Seite, damit sie aufhört. »Du hast das nicht nur gesagt, weil ich dir Kuchen geschenkt habe, oder?«
»Nein, so waren schon immer die Regeln, seit ich bei dem Rennen mitreite.«
Sie blickt mich kurz verwirrt an und verzieht dann das Gesicht. »Ich meine, dass wir eine Chance haben.«
Corr windet sich unter mir, rastlos und zu ungeduldig, um noch weiter stillzustehen. Das ruft mir in Erinnerung, dass ich noch seine und Edanas Boxen tauschen muss. Nachdem Edana kein einziges Mal mehr am Strand war, wird sie in ihrer fensterlosen Box im hinteren Teil des Stalls von Tag zu Tag unruhiger. Der Blick aus Corrs Fenster ist zwar auch nichts Besonderes, aber vielleicht hält er sie so lange ruhig, bis das Rennen vorbei ist und ich wieder Zeit für sie habe.
»Wenn das nicht mein Ernst wäre, hätte ich es nicht gesagt.«
»Ich meine, dass wir wirklich eine Chance haben.« Sie blickt zur Seite, als hätte sie Angst, der Gedanke, dass die beiden im Kampf um den ersten Platz eine ernsthafte Konkurrenz für Corr und mich sein könnten, würde mich beleidigen.
»Für den zweiten und den dritten Platz gibt es auch ein bisschen Geld«, erwidere ich. Sie zupft einen Knoten in Doves Mähne auseinander. »Würde das reichen?«
Pucks Stimme
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