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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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ich den Wagen die Straße hinuntersausen, gefolgt von einer Wolke ungesunder Abgase. Eine Sekunde später höre ich Finn juchzen. Er streckt seinen Kopf aus dem Fenster, das Gesicht blass unter dem staubigen Haar und mit einem Grinsen, das jeden einzelnen seiner Zähne zeigt.
    »Was ist, brauchst du 'ne schriftliche Einladung?«, ruft er mir zu. Dann zieht er den Kopf zurück und der Motor heult auf, als Finn einen anderen Gang einlegt.
    »Dann los!«, rufe ich zurück, obwohl er viel zu weit weg ist, um mich zu hören. Doves Ohren zucken kurz zu mir nach hinten und richten sich dann wieder bebend nach vorn auf die Straße. Es ist ein rauer, kühler Morgen und sie lässt sich nicht lange bitten. Ich presse ihr meine Waden in die Seiten und schnalze mit der Zunge.
    Dove stürmt los, ihre Hufe wirbeln die Erde hinter ihr in hohem Bogen auf und wir preschen Finn hinterher.
    Finns Route ist nicht schwer zu erraten; er muss sich an die Straßen halten und hier draußen gibt es nur die eine, die hinter unserem Haus vorbei nach Skarmouth führt. Allerdings ist sie nicht besonders gerade. Sie windet sich durch einen Flickenteppich aus Feldern, die von Steinmauern und Hecken umgeben sind. Der Staubwolke zu folgen, die er auf diesem Zickzackkurs hinter sich herzieht, wäre Unsinn. Stattdessen sprengen Dove und ich querfeldein. Dove ist nicht groß – das ist keines der normalen Inselpferde, weil das Gras nicht sehr nahrhaft ist –, aber sie ist ehrgeizig und kühn. Und so setzen sie und ich gemeinsam über jede Hecke, die sich uns in den Weg stellt, solange nur der Boden fest genug ist.
    Wir schießen um die erste Kurve und scheuchen ein paar Schafe auf. »'tschuldigung!«, rufe ich ihnen über die Schulter zu. Die nächste Hecke kommt in Sicht, während ich noch mit den Schafen beschäftigt bin, und Dove muss hastig die Vorderhufe hochreißen, um den knappen Absprung zu schaffen. Ich lasse die Zügel so locker, dass es jedem anderen Reiter einen Schauder über den Rücken jagen würde, aber immerhin zerre ich nicht an ihrem Gebiss und sie zieht die Beine ganz dicht an und rettet uns beide. Als sie hinter der Hecke weitergaloppiert, nehme ich die Zügel wieder kürzer und klopfe ihr auf den Hals, um ihr zu zeigen, dass mir nicht entgangen ist, wie gut sie reagiert hat, und sie dreht mir ihr Ohr zu, um mir zu zeigen, dass sie sich über mein Lob freut.
    Dann segeln wir über eine Weide dahin, auf der früher einmal Schafe gegrast haben, wo heute aber nur noch stoppeliges Heidekraut steht, das darauf wartet, abgebrannt zu werden. Der Morris ist uns noch immer ein Stück voraus, ein dunkler Umriss hinter einer gewaltigen Wand aus Staub. Ich mache mir keine Sorgen wegen Finns Vorsprung; um mit dem Auto zum Strand zu kommen, muss er entweder die Straße durch den Ort nehmen, mit all seinen Fußgängern und engen Kurven, oder den Umweg außen herum, der ihn mehrere Minuten kosten und uns eine Chance zum Aufholen geben würde.
    Ich höre, wie der Morris am Kreisverkehr kurz abbremst und schließlich auf Skarmouth zubraust. Jetzt könnte ich entweder die Umgehungsstraße nehmen, sodass wir nicht mehr springen müssten, oder die Abkürzung direkt durch das Wohngebiet am Ortsrand, auf der wir durch ein paar Gärten hopsen und riskieren würden, von Gabe am Hotel gesehen zu werden.
    Ich male mir schon aus, wie ich als Erste auf den Strand presche.
    Ich beschließe, das Risiko einzugehen, von Gabe entdeckt zu werden. Das letzte Mal, dass ich diesen Weg genommen habe, ist schon so lange her, dass die spießigen alten Damen nicht allzu viel Grund haben dürften, sich über ein Pferd in ihren Gärten zu beschweren, solange wir nicht irgendetwas von Wert niedertrampeln.
    »Na los, Dove«, flüstere ich. Sie galoppiert über die Straße und durch eine Lücke in einer Hecke. Die Häuser hier wirken, als wären sie direkt aus dem Fels emporgewachsen, und die Gärten sind vollgestopft mit Sachen, die aus den Häusern herausgequollen zu sein scheinen. Auf der anderen Seite verläuft eine Straße aus massivem Stein, auf der kein Pferd sollte laufen müssen, also führt der einzig mögliche Weg durch das halbe Dutzend von Gärten und am Hotel vorbei.
    Ich hoffe, dass die Leute gerade bei der Arbeit an den Docks oder in ihren Küchen sind. Wir jagen durch die Gärten, springen im ersten halb über eine Schubkarre, können im zweiten gerade noch einem Kräuterbeet ausweichen und werden im dritten von einem bösartig aussehenden Terrier angekläfft.

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