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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und warum Angel umgekommen war und wieso Patricio hatte so dumm sein können, sich auf ein schmutziges Geschäft wie den Drogenschmuggel einzulassen.
     
    Als das Flugzeug durch die Wolken sank, eine Kurve beschrieb und zur Landung ansetzte, dachte Manuel an die Berge, die Mutter und die Kaffeebohnen. Wie schön diese Bohnen waren! Wenn sie getrocknet in offenen Jutesäcken lagerten, mit denen jeder Flur und Durchgang zu Hause verstellt war – sogar neben den Schlafplätzen standen die Säcke   –, dann forderten einen die Bohnen förmlich heraus, sie anzufassen, sie zu spüren.
    »La vida es una ratita«, murmelte er, bekreuzigte sich und sah zu, wie sich das fremde Land vor ihm ausbreitete.

2
    S lobodan Andersson lachte. Das breite Grienen schien das ganze Gesicht zu spalten und enthüllte seine vom Rauchen verfärbten Zähne. Sie erinnerten an angespitzte Holzstifte, nadelspitze Waffen.
    Auch wenn Slobodan Andersson oft lachte, hätte ihn niemand als fröhlichen Burschen bezeichnet. Sein Lachen klang eher wie das Kläffen eines kleinen Hundes.
    Seine Feinde, und das waren im Laufe der Jahre einige geworden, sprachen verächtlich vom »Jugokläffer«. Slobodan schien das nicht übel zu nehmen. Wenn ihn jemand an seinen Spitznamen erinnerte, entgegnete er: »Der Pinscher ist mit dem Wolf verwandt«, hob ein Bein und kläffte wie ein kleiner Pinscher.
    Nicht nur sein Gesicht war breit. Der ganze Mensch war |11| in den letzten beiden Jahrzehnten in die Breite gegangen. Es fiel ihm zunehmend schwer, das Tempo zu halten, für das er als Gastwirt einmal berühmt und gefürchtet war. Allerdings, was er im Laufe der Jahre an physischer Beweglichkeit verlor, kompensierte er mit Erfahrung und zunehmender Rücksichtslosigkeit. Er ließ Menschen einfach hinter sich, und er tat das mit einer Gleichgültigkeit, die weder sein Lachen noch Rückenklopfen zu entschärfen vermochten.
    Seine Lebensgeschichte strotzte von Unklarheiten. Mit den erstaunlichsten Details ausgeschmückt erzählten sie die Kneipengänger der Stadt. Slobodan seinerseits unterhielt die Leute gern mit einer Mischung aus vagen Äußerungen, die den unterschiedlichsten Deutungen das Feld überließ, sowie seltsam detaillierten und drastischen Episoden aus gut dreißig Jahren in der Branche.
    Sicher war, dass er eine serbische Mutter hatte und einen schwedischen Vater, aber ob sie noch lebten und wenn, wo, wusste niemand. An diesem Punkt war Slobodan Andersson verschwiegen. Er erzählte gern von seiner Jugend in Schonen und davon, wie er als Fünfzehnjähriger angefangen hatte, in einem bekannten Lokal mitten in Malmö zu arbeiten. Er weigerte sich, den Namen des Restaurants in den Mund zu nehmen, er nannte es nur »die Kneipe«. Dort hatte er die ersten drei Monate mit nichts als Scheuern und Schrubben zugebracht. Der Küchenchef war Slobodan zufolge ein Sadist, und es hieß, Slobodan, zum Kochlehrling aufgestiegen, habe ihm ein Fischmesser in den Bauch gerammt. Wenn er darauf angesprochen wurde, unterbrach er sein Kläfferlachen und hielt sich den Bauch. Es kursierten unterschiedlichste Auffassungen, wie diese Bewegung zu deuten sei.
    Nach Zwischenstationen in Kopenhagen und Spanien tauchte Slobodan Andersson in der Kneipenszene von Uppsala auf. Er erstaunte alle, weil er zwei Restaurants gleichzeitig eröffnete: »Lido« und »Pigalle«. Geschmacklose Namen, |12| fanden viele, und diese Beurteilung erfuhr auch das Essen. Gemeinsam war beiden Lokalen die aufwendige Einrichtung. Das »Lido« wurde mit einer elf Meter langen Zinktheke ausgestattet. Die Gäste der Bar waren aufgefordert, ihre Bestellungen dort mit extra dafür bereitgehaltenen Schraubenziehern einzuritzen, die aber nach einer gewalttätigen Geschichte einkassiert wurden.
    Das »Pigalle« sollte die Gäste an Mallorca in den späten Sechzigern erinnern. Es war im Grunde eine dunkle Höhle, eine misslungene Mischung aus orientalischen Anklängen und Mittelmeerambiente.
    Beide Lokale machten nach kaum einem Jahr pleite. Aus der Konkursmasse kaufte Slobodan Andersson die Einrichtung heraus. Vieles brachte er zum Sperrmüll, aber was etwas wert sein konnte, behielt er. Dann startete er das »Dschingis Khan«. Die Ausgangsposition war besser, und auch wenn das Lokal nicht für kulinarische Genüsse berühmt wurde, etablierte es sich doch als populäre Kneipe. Inzwischen ließ sich Slobodan Anderssons Talent erahnen, ein toughes Milieu mit einer fast schon familiären Stimmung zu vereinen. Oft stand

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