Rote Gruetze mit Schuss
zerschlug damit eine Scheibe des Sprossenfensters. Die dünne Einfachverglasungzersprang sofort. Als das Glas aus dem eisernen Fensterrahmen fiel und die einzelnen Scherben auf dem Steinboden zersplitterten, drehte sich Brodersen zu ihm um. Blitzschnell schlug Leif mit dem Ellenbogen notdürftig einige Glassplitter aus dem Rahmen, langte nach innen zu dem Fenstergriff, um das Fenster zu öffnen, und zwängte sich durch die schmale Öffnung.
»Was, verdammt noch mal, hast du mit ihr gemacht«, schrie er Brodersen an.
Brodersen hatte sich vom Bett erhoben und stand mit dem Kissen in der Hand fast etwas erstaunt vor ihm.
»Ketels, was hast du denn hier verloren?«, blaffte er Leif an.
»Bist du vollkommen durchgedreht?«, kreischte Leif.
»Nicht ich, deine Swaantje ist durchgedreht!« Der sonst immer so souveräne Ökolandwirt wirkte jetzt reichlich echauffiert. Seine Müller-Wohlfahrt-Frisur war gründlich durcheinandergeraten.
»Was soll das heißen? Was ist los mit ihr?« Leifs Stimme überschlug sich vor Angst und Panik. Er wollte zu der leblos daliegenden Swaantje, aber Brodersen versperrte ihm angriffslustig den Weg.
»Meine Güte! Wir hatten ein bisschen Spaß, und dann steht diese dumme Gans gleich mit gepackten Koffern bei mir vor der Tür.«
»Du hast Sie umgebracht, du Schwein!«, schrie Leif mit bebender Stimme.
»Von dir will sie sowieso nichts mehr!« Brodersen stieß ein kurzes hysterisches Lachen aus und schubste Ketels zurück in Richtung Fenster. Im Stolpern sahKetels zum Bett hinüber. Swaantje regte sich nicht, aber sie sah besonders schön aus, sein blonder Engel, so wie damals, als sie sich kennengelernt hatten. Es war wirklich ein Wunder, dass sie ihn erwählt hatte, den blasshäutigen, immer etwas schwächlichen Leif Ketels, der jeder Schützenfestschlägerei aus dem Wege ging. Nein! Er wollte seine Swaantje nicht verlieren! Jetzt wollte er um sie kämpfen!
Leif rappelte sich hoch. Dabei fasste er in den Fensterrahmen. Ein Glassplitter zerschnitt ihm die linke Hand, ein tiefer sauberer Schnitt, aus dem sofort ein satter Blutstrich hervorquoll. Leif nahm die Verletzung überhaupt nicht richtig wahr. Er griff sich, ohne zu überlegen, die Schaufel, die neben dem Fenster stand, und versuchte, sich sein Gegenüber mit der Schippe vom Leib zu halten.
»Lass mich sofort zu ihr, du Sau!«, brüllte Ketels. Doch Brodersen hatte plötzlich eine Heugabel in seiner Rechten und einen antiken Dreschflegel in der Linken und stellte sich dem kleinen Versicherungsvertreter in den Weg.
Wie Kampfhähne standen sich die beiden Männer gegenüber. Der Biobauer überragte den Mann von der Nürnberger fast um einen ganzen Kopf. Brodersen hatten die Ereignisse dieser Nacht die Röte ins Gesicht getrieben. Leif Ketels dagegen war bleich wie eh und je, nur in seinen Augen funkelte der Hass. »Was ist das für ein verdammtes Ding?«, schrie er und stierte irritiert auf das altertümliche Gerät, das der Landwirt jetzt mehrmals über seinem Kopf kreisen ließ.
»Ja, was ist das wohl?«, brüllte Brodersen zurück.»Lebt hier auf dem Lande, schwatzt den Leuten Versicherungen auf, hat aber keine Ahnung, wofür!« Der erste Schlag mit dem beweglichen Holzknüppel ging neben Leif auf den Boden. Dieser wich aus, so gut es in der Dunkelheit ging. Aber der zweite Schlag traf ihn am Ohr. Sein ganzer Kopf dröhnte, bis das Brummen einem tauben Gefühl wich. Ketels taumelte.
»Na, wat los, edler Ritter«, höhnte Brodersen und pikste ihn mit der rostigen Heugabel.
Er stach zwar nicht richtig zu, aber Ketels spürte die drei Zinken auf seinem Bauch. Augenblicklich schwang Ketels die Schaufel wie ein Schwertkämpfer und drückte die Forke zur Seite. Die Heugabel stieß ins Leere. Mit seiner blutenden Hand strich er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei schien Brodersen fast zu erschrecken bei seinem Anblick.
Diesen Moment der Irritation nutzte Ketels, um nach dem alten Jagdgewehr zu tasten, das er in der Dunkelheit erahnte. Doch Brodersen war schon wieder zum Angriff übergegangen, und Ketels musste seine Schaufel jetzt in beide Hände nehmen, um die Attacken abzuwehren.
»Fechtunterricht gehabt, oder was?« Brodersen schien das kleine Duell jetzt richtig Spaß zu machen.
Immer wieder wich Leif seinen Angriffen aus. Zur Abwechslung ließ Brodersen mal wieder den Dreschflegel kreisen, der ein unheimliches Pfeifen von sich gab. Doch das antike Gerät glitt ihm plötzlich aus der Hand und landete polternd in
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