Rote Lilien
Sein Gesicht.« Sie drehte sich um und zeigte auf Reginalds Foto an der Pinnwand. »Sein Gesicht. Er war in mir, und ich habe sein Gesicht gesehen.« Sie stieß einen Seufzer aus. »So, das war's.« Nach einem Moment der Stille sagte Roz: »Ich glaube nicht, dass es sehr ungewöhnlich wäre, wenn dein Gehirn zwei Ereignisse miteinander vermischt. Wir verbringen hier sehr viel Zeit damit, über diese Leute nachzudenken und herauszufinden, was damals passiert ist. Wir wissen, dass sie seine Geliebte war, wir wissen, dass sie ihm ein Kind geboren hat, also wissen wir auch, dass er mit ihr geschlafen hat. Und was Amelia angeht, können wir durchaus davon aus gehen oder zumindest annehmen, dass es eine Art Geschäftsbeziehung war.«
»Roz, du weiß doch, wie sich dein Körper anfühlt, nachdem du mit einem Mann zusammen gewesen bist. Nicht das leichte Kribbeln, das man nach einem erotischen Traum spürt, sondern die rein körperliche Erregung. Ich habe zwar seit meiner Schwangerschaft mit Lily mit keinem Mann geschlafen, aber keine Frau vergisst, wie sich das anfühlt. Und genau das habe ich gespürt, als ich aufgewacht bin. Roz, ich konnte diese Rosen riechen. Ich weiß, wie sich sein Körper anfühlt.« Sie musste schlucken. »Ich habe ihn in mir gespürt. Oder besser gesagt, in ihr, aber es hat sich angefühlt, als wäre ich sie. Sie hatte Spaß daran, mit jemandem zu schlafen, der gut aussah und ein erfahrener Liebhaber war. Es hätte ihr nichts ausgemacht, wenn er hässlich wie die Nacht und im Bett eine Niete gewesen wäre, aber so war es ihr lieber. Wichtig war, dass der Mann reich war - alles andere war eine schöne Zugabe. Ich weiß das, weil ich in ihrem Kopf gewesen bin. Oder sie in meinem. Ich habe es mir nicht eingebildet.«
»Ich glaube dir«, sagte Mitch.
»Wir glauben dir«, korrigierte ihn Roz. »Du bist fast so alt wie sie, als sie gestorben ist jedenfalls vermuten wir, dass sie so alt war. Vielleicht ist das eine weitere Verbindung zu ihr, und durch dich versucht sie uns jetzt zu sagen, wie es ihr damals ergangen ist.«
»Ich glaube nicht, dass ihr Sex viel Spaß gemacht hat - die Macht, die Kontrolle, die sie über den Mann hat, ja, aber nicht der Rest. Es war einfach etwas, das sie getan hat, und seiner, ähm, Reaktion nach zu urteilen, hat sie ihre Sache sehr gut gemacht. Ihr Körper war erheblich kurviger als meiner.« Mit einem verlegenen Grinsen hielt sie die Hände vor die Brust, um eine größere Oberweite anzudeuten. »Und sie war sehr berechnend. Die ganze Zeit über hat sie nur überlegt, wie sie noch mehr Geld aus ihm herausholen könnte. Und für die Frauen von Männern wie ihm hatte sie nur Hohn und Spott übrig. Ich glaube, das war alles.«
»Kein schöner Charakterzug von ihr. Oder vielleicht doch, aus ihrer Sicht jedenfalls«, meinte Mitch. »Sie hatte alles selbst in der Hand und tat das, was sie wollte. Jung, schön, begehrt von einem mächtigen Mann, der ihr sexuell hörig war. Interessant.«
»Für mich war es eher gruselig. Wenn ich Sex habe, dann bitte mit meinem eigenen Körper. Jedenfalls geht es mir jetzt, nachdem ich euch alles erzählt habe, schon viel besser. Ich glaube, ich gehe jetzt nach oben und mache ein bisschen Yoga. Sie wird mich wohl kaum stören, während ich versuche, mich in die Kriegerposition oder was auch immer zu verbiegen. Danke, dass ihr mir zugehört habt.«
»Wenn noch etwas passiert, erzählst du es uns«, sagte Roz zu ihr. »Versprochen.« Roz wartete, bis Hayley gegangen war. »Mitch, ich mache mir große Sorgen um sie.«
»Jetzt mal doch nicht gleich den Teufel an die Wand.« Er nahm ihre Hand. »Fürs Erste dürfte es genügen, wenn wir gut auf sie aufpassen.«
5. Kapitel
Von Stellas Küchenfenster aus sah Hayley die Terrasse, den Garten hinter dem Haus, die Laube und das Baumhaus, das Logan und die Jungs in die ßste einer großen Platane gebaut hatten. Sie beobachtete, wie Logan Lily auf einer roten Schaukel anschubste, die von einem dicken Ast herunterhing, während die Jungs ihrem Hund Parker einen alten Ball hinwarfen.
Für Hayley sah es aus wie das lebende Porträt eines Sommerabends, das jene Art von träger Zufriedenheit ausströmte, die nur nach einem schwülheißen Sommertag in der Luft lag, kurz bevor man die Kinder zum Abendessen hereinruft und die Lampen auf der Veranda einschaltet. Ein warmes gelbes Leuchten, um die Motten zu verscheuchen und zu sagen: Ja, wir sind zu Hause. Sie konnte sich noch
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