Rote Lilien
genau daran erinnern, wie es bei ihr früher gewesen war, als Kind im August, das die Hitze liebte und den ganzen Tag draußen herumrannte, um ja alle Strahlen der Sonne zu erwischen, bevor sie unterging. Jetzt, so hoffte Hayley, lernte sie gerade, was es bedeutete, Mutter zu sein. Auf der anderen Seite der Tür mit dem Fliegengitter zu stehen. Diejenige zu sein, die das Licht auf der Veranda einschaltete. »Gewöhnt man sich eigentlich daran, oder stehst du manchmal hier und denkst, dass du die glücklichste Frau der Welt bist?« Stella stellte sich neben sie ans Fenster und lächelte. »Beides. Was hältst du davon, wenn wir uns mit einem Glas Limonade auf die Terrasse setzen?«
»Gleich. Ich muss dir etwas sagen. Heute bei der Arbeit wollte ich nicht darüber reden, nicht, weil es während der Arbeitszeit ist, sondern, weil wir dabei noch auf dem Grund und Boden von Harper House sind. Und dort ist sie. Hierher kann sie nicht kommen.«
»Roz hat mir erzählt, was passiert ist.« Stella legte Hayley die Hand auf die Schulter.
»Ich habe ihr aber nicht gesagt, dass es Harper war. Ich meine, als ich so vor mich hingeträumt habe, habe ich an Harper gedacht. Ich werde ihr auf keinen Fall sagen, dass ich mir vorgestellt habe, von ihrem Sohn ausgezogen zu werden.«
»Ich glaube, unter diesen Umständen ist die Zensur gerechtfertigt. Ist seitdem noch etwas passiert?«
»Nein, nichts. Und ich weiß auch nicht, ob etwas passieren soll, oder ob es mir lieber wäre, wenn nichts mehr passiert.«
Hayley sah zu, wie Logan den zerbissenen, durchweichten Ball, der auf ihn zugerollt kam, stoppte und dann weit von sich wegwarf. Jungen und Hund stürmten dem Ball nach, während Lily auf der Schaukel mit den Beinen strampelte und begeistert in die Händchen klatschte. »Wenn ich schon im Leben einer anderen auftauchen muss, wäre mir deins eindeutig lieber gewesen.«
»Hayley, ich bin deine beste Freundin, aber bei Sex mit Logan hört die Freundschaft auf.«
Hayley prustete los und stieß Stella mit dem Ellbogen in die Rippen.
»Spielverderberin. Ich werde es zwar nie erfahren, aber ich könnte wetten, dass ich was verpasst habe.« Stella grinste wie eine Katze, die einen Teller Sahne leer geschleckt hatte. »Die Wette würdest du gewinnen.«
»Jedenfalls habe ich gerade überlegt, wie es wäre, wenn jemand so verrückt nach mir ist wie Logan nach dir. Dazu noch zwei großartige Kinder und ein schönes Zuhause, das ihr zusammen geschaffen habt. Wer braucht da noch Träume?«
»Eines Tages wirst auch du haben, nach was du suchst.«
»O Gott, ich höre mich an wie die rothaarige Stieftochter. Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist.« Hayley rollte ihre Schultern hin und her, als würde sie ein schweres Gewicht abschütteln. »Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich in Selbstmitleid versinke. Aber das passt gar nicht zu mir, Stella. Ich bin glücklich. Und selbst wenn ich es nicht bin, suche ich immer nach einer Möglichkeit, das zu ändern. Ich bin nicht der Typ, der ständig am Grübeln ist. Jedenfalls nicht oft.«
»Nein, bist du nicht.«
»Es kann ja sein, dass ich unglücklich in Harper verliebt bin, aber so ein bisschen Frustration reicht doch nicht, um mich in Depressionen versinken zu lassen. Wenn ich das nächste Mal in Selbstmitleid zerfließe, verpasst du mir bitte eine saftige Ohrfeige.«
»In Ordnung. Dazu sind Freunde schließlich da.«
Hayley hatte es wirklich so gemeint. Sie war nicht der Typ, der sich mit einem Blatt Papier in der Hand aufs Sofa setzte und die negativen Seiten im Leben auflistete, um herauszufinden, ob es mehr waren als die positiven. Wenn etwas nicht in Ordnung war, handelte sie. Sie löste das Problem und sah nach vorn. Und wenn das Problem nicht gelöst werden konnte, suchte sie nach einer Möglichkeit, wie sie damit leben konnte.
Als ihre Mutter gegangen war, war Hayley traurig und verletzt gewesen. Aber es war unmöglich gewesen, ihre Mutter zurückzuholen. Also hatte sie ihr Leben ohne ihre Mutter gelebt und das nicht einmal schlecht, dachte Hayley, während sie zum Harper House zurückfuhr. Sie hatte gelernt, wie man einen Haushalt führte, und sie und ihr Vater hatten ein gutes Leben zusammen gehabt. Sie waren glücklich gewesen. Hayley war geliebt worden. Und sie hatte sich nützlich gemacht. Sie war gut in der Schule gewesen. Sie hatte sich einen Job besorgt, um auch ein wenig Geld nach Hause zu bringen. Sie konnte hart arbeiten und hatte Spaß an
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