Rote Lilien
würden sie für immer an Harper und diesen Ort erinnern. Sie holte Lily ein und klopfte an die Tür. Einem plötzlichen Einfall folgend trat sie zurück und machte einen Schritt zur Seite, sodass das kleine Mädchen allein da stand und mit den Händen auf Harpers Tür patschte. An den Stellen, an denen die Lampen auf der Veranda eingeschaltet waren, breiteten sich gelbe Lichtkreise aus.
Als die Tür aufging, hörte sie, wie ihre Tochter mit einer Mischung aus »Ha« und einem entzückten Kreischen Harper begrüßte. »Wen haben wir denn da?« Von dort, wo Hayley stand, konnte sie sehen, wie Lilys Arme nach oben schossen und Harper sich bückte. Als er sie hochhob, brabbelte Lily schon aufgeregt und unverständlich vor sich hin. »Wirklich? Du wolltest nur mal vorbeikommen und sehen, wie es mir geht? Das ist aber nett von dir. Ich würde dir ja gern einen Keks anbieten, aber vielleicht sollten wir erst mal deine Mutter suchen.«
»Bin schon da.« Hayley ging lachend zu den beiden.
»Tut mir Leid, aber es war so niedlich. Sie kann einfach nicht an deinem Haus vorbeilaufen, ohne dich besuchen zu wollen, also habe ich geklopft und sie da stehen gelassen.« Sie streckte die Arme aus, doch wie immer, wenn Harper in der Nähe war, schüttelte Lily energisch den Kopf und klammerte sich wie eine Klette an ihren Lieblingsmann. »Ich hab ihr einen Keks versprochen. Warum kommt ihr nicht rein, dann hole ich ihr schnell einen?«
»Wir stören doch nicht, oder?«
»Aber nein. Ich wollte mir gerade ein Bier aus dem Kühlschrank holen und die Büroarbeit erledigen. Den Teil mit dem Papierkram verschiebe ich mit Freuden.«
»Ich komme immer sehr gern hierher.« Sie sah sich im Wohnzimmer um, während er mit Lily auf dem Arm in die Küche ging. »Für einen heterosexuellen Junggesellen bist du ziemlich ordentlich.«
»Das liegt vermutlich an der Erziehung meiner Mutter.« Mit Lily auf der Hüfte griff er in einen Schrank und holte die Schachtel mit den Tierkeksen heraus, die er extra für sie gekauft hatte. »Schau mal, was ich hier gefunden habe.« Er machte die Schachtel auf und hielt sie der Kleinen hin. »Willst du ein Bier, Hayley?«
»Gern. Ich bin nach der Arbeit bei Stella vorbeigefahren und so lange geblieben, bis es Hamburger vom Grill gab, aber den Wein dazu habe ich abgelehnt. Ich trinke nicht so gern Alkohol, wenn ich noch fahren muss und wenn ich Lily dabeihabe, trinke ich keinen Tropfen.« Er drückte ihr ein Bier in die Hand und holte noch eines für sich selbst aus dem Kühlschrank. »Wie geht's dir?«
Als sie statt einer Antwort fragend den Kopf auf die Seite legte, zuckte er mit den Achseln. »Es hat sich schon herumgesprochen. Und da es uns alle betrifft, sollte es sich auch herumsprechen.«
»Ich finde es ein bisschen peinlich, wenn sich herumspricht, dass ich von Sex träume.«
»So war es doch gar nicht. Außerdem ist doch nichts dabei, wenn man einen erotischen Traum hat.«
»Mir wäre lieber, wenn der nächste erotische Traum ausschließlich meiner Fantasie entspringen würde.« Sie trank einen Schluck Bier und musterte Harper aufmerksam. »Du siehst ihm ein bisschen ähnlich.«
»Wem? «
»Reginald vor allem jetzt, nachdem ich ihn in einer Situation gesehen habe, die man wohl als >sehr persönlich< bezeichnen kann. Erheblich persönlicher als ein altes Foto. Du hast den gleichen dunklen Teint wie er, und dein Gesicht und dein Mund haben die gleiche Form wie bei ihm. Aber er ist nicht so muskulös wie du.«
»Aha.« Er setzte die Flasche an den Mund und trank. »Er war schlank, aber er hat sich ziemlich weich angefühlt. So weich wie seine Hände. Und er war älter als du, mit grauen Strähnen im Haar und tiefen Falten um den Mund und die Augen herum. Trotzdem hat er sehr gut ausgesehen. Sehr männlich.«
Sie holte Lilys Schnabeltasse mit Saft und ihren Musikwürfel aus der Windeltasche. Dann nahm sie Harper das Kind ab und setzte sie mit dem Spielzeug und der Tasse in der Hand auf den Boden. »Du hast breitere Schultern und keine Spur von einem Bauchansatz da.« Sie stieß ihm einen Finger in den Bauch. »Aha.« Lily spielte mit ihrem Musikwürfel herum und schaltete von einem Lied zum anderen. »Das ist mir alles nur aufgefallen, weil wir splitternackt und verschwitzt waren«, fuhr Hayley fort. »Ich verstehe.«
»Mir ist vor allem die Ähnlichkeit zwischen euch aufgefallen, die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen euch, denn als ich mir ausgemalt habe, wie ich mit einem Mann
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