Rote Lilien
Männern?«
»Nein, so weit bin ich noch nicht. Aber in meinem Apartmentgebäude arbeitet ein Mann, der sehr nett ist.«
»Sieht er gut aus? Mist, ein Kunde«, grummelte Hayley, als jemand mit einem voll beladenen Einkaufswagen vom Freigelände hereinkam. »Redet bloß nicht über Sex, während ich kassiere.«
»Eigentlich dachte ich, es wäre mir peinlich, euch wiederzusehen«, sagte Jane an Stella gewandt, während Hayley den Kunden bediente. »Warum?«
»Damals, als wir uns kennen gelernt haben, war ich so weinerlich und so gemein zu euch.«
»Das warst du nicht. Du hattest Angst und warst aufgeregt. Aus gutem Grund. Du hast einen großen Schritt gemacht, indem du uns in die Wohnung gelassen hast, damit Roz die Tagebücher holen konnte.«
»Schließlich waren sie ja ihr Eigentum. Clarise hatte kein Recht, sie aus Harper House mitzunehmen.«
»Stimmt. Aber es ist trotzdem ein großer Schritt für dich gewesen, uns in die Wohnung zu lassen, auszuziehen, einen neuen Job und ein neues Leben zu beginnen. Ich weiß, dass einem das Angst macht. Und Hayley weiß es auch.« Jane warf einen Blick über die Schulter zu Hayley, die an der Kasse stand und mit ihrem Kunden plauderte. »Sie sieht nicht so aus, als würde ihr irgendetwas Angst machen können. Das habe ich schon gedacht, als ich sie und dich kennen gelernt habe. Dass ihr zwei nie Angst davor haben würdet, eure Meinung zu sagen, dass ihr euch nie so herumschubsen lassen würdet, wie ich es getan habe.«
»Wir haben alle einmal Angst und nicht immer tun wir etwas so Radikales und Positives dagegen.« Roz kam herein. Sie schlug mit ihren Gartenhandschuhen auf ihren Oberschenkel, was der einzige Anhaltspunkt dafür war, dass sie verärgert war. »Gibt es ein Problem?«
»Aber nein.« Stella wies auf die junge Frau neben sich. »Jane wollte dich besuchen.« Roz zog die Augenbrauen hoch. Dann fing sie an zu lächeln. »Jolene hat Wort gehalten. Du siehst aus wie das blühende Leben.« Sie steckte ihre Handschuhe in die Hosentasche und schnappte nach Luft, als Jane sich ihr an den Hals warf. »Ich freue mich auch, dich zu sehen.«
»Danke. Vielen Dank. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Gern geschehen.«
»Ich bin so glücklich.«
»Das sieht man. Und man spürt es auch.«
»Tut mir Leid.« Jane schniefte und gab sie frei. »Das wollte ich eigentlich gar nicht tun. Ich wollte herkommen, mich bei dir bedanken und dir sagen, dass die Arbeit in der Galerie gut läuft. Dass ich schon eine Gehaltserhöhung bekommen habe und etwas aus mir mache.«
»Das sehe ich. Und ich muss wohl nicht fragen, ob es dir gut geht. Ich freue mich wirklich für dich. Es klingt jetzt zwar etwas gehässig von mir, aber es freut mich umso mehr, dass du so hübsch bist und dass dir dein neues Leben gefällt, weil Tante Rissy vor Wut kochen wird.« Jane lachte unter Tränen. »Ja, sie ist stocksauer. Sie hat mich besucht.«
»Was habe ich verpasst?«, wollte Hayley wissen, als sie hinter der Kasse hervorkam. »Die spannenden Sachen müsst ihr mir noch mal erzählen.«
»Ich glaube, so richtig spannend wird es jetzt erst.« Roz wandte sich an Jane. »Tante Rissy hat also ihren Besen aus dem Schrank geholt und dich besucht?«
»Sie ist zu mir in meine Wohnung gekommen. Wahrscheinlich hat ihr meine Mutter die Adresse gegeben, obwohl ich sie gebeten hatte, das nicht zu tun. Es war vor etwa einem Monat. Ich hab durch das Guckloch gesehen, und da stand sie vor meiner Tür. Um ein Haar hätte ich gar nicht aufgemacht.«
»Das kann man dir auch nicht verdenken.«
Hayley tätschelte ihr den Rücken.
»Aber dann habe ich gedacht, dass ich mich doch nicht wie ein Kaninchen in meiner eigenen Wohnung verkriechen kann. Also hab ich die Tür aufgemacht. Sie ist schnurstracks hereinmarschiert, hat die Nase gerümpft, mir befohlen, ihr Tee zu machen, und sich hingesetzt.«
»Die gute Seele«, meinte Roz spöttisch. »Ihr Ego ist unverwüstlich.«
»In welchem Stock liegt deine Wohnung noch mal?« Hayley kniff die Augen zusammen, während sie sich zu erinnern versuchte. »Zweiter oder dritter, stimmt's? Es hätte einen großen Fleck auf dem Pflaster gegeben, wenn du sie aus dem Fenster gestoßen hättest.«
»Ich wünschte, ich hätte es getan, aber ich bin in die Küche gegangen und habe ihr Tee gemacht. Ich habe von Kopf bis Fuß gezittert. Als ich wieder im Wohnzimmer war, sagte sie, ich sei ein undankbares, böses Mädchen. Und ich könne mir mein Haar abschneiden,
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