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Rote Sonne über Darkover - 5

Rote Sonne über Darkover - 5

Titel: Rote Sonne über Darkover - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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einer Winternacht nackt im Freien zu schlafen und am nächsten Tag unbeschadet zu erwachen.
    Zwar lernten die meisten Neulinge in Nevarsin, die Kälte in ihren Zellen zu ertragen, aber nur eine Handvoll schritt weiter voran und erwarb die wahre Meisterschaft über das Feuer. Von diesen war er der Beste; er hatte selbst das Gefühl und hatte es in dem anerkennenden Blick des Vaters gelesen.
    Vielleicht gab es im Kosmos eine Art Gleichgewicht, obwohl ihm der Blödsinn über ›das Gute, um das Böse aufzuwiegen‹, den man ihm seit seinem siebten Lebensjahr gewaltsam eingeflößt hatte, gewaltig auf die Nerven ging. Aber sein Geschick mit dem inneren Feuer schien in gewisser Weise ein Ausgleich für seinen völligen Mangel an Laran zu sein. Wenn Jungen, die weniger fähig waren als er, während der Schwellenkrankheit gepflegt wurden, hatte er sich auf dem Flur bereitgehalten, Wasser und Kompressen geholt und gespannt darauf gewartet, daß seine eigenen Qualen beginnen würden. Einige der Jungen, die es überlebten, waren als Lehrlinge von den Türmen aufgenommen worden. Für ihn hätte das Freiheit von der unaufhörlichen Langeweile und Sterilität seiner religiösen Ausbildung bedeutet.
    Aber er hatte vergebens gewartet, und es war lange her. Jetzt, im Alter von zwanzig, wußte er, daß es nie mehr geschehen würde. Er konnte nicht in einem Turm ausgebildet werden, weil er nichts hatte, mit dem er hätte arbeiten können. Außerdem war er zu alt und zu sehr von dem unverwechselbaren Stil der Cristoforos geprägt.
    Er hatte die Witze der Reisenden aus Hali und Thendara gehört, wenn sie sich allein glaubten, daß sie einen Cristoforo aus einer Meile Entfernung riechen könnten. »Sie gehen sogar anders«, hatte ein feuerhaariger Jüngling geschnaubt, »als ob sie fürchteten, ihr Schwanz könne abfallen!« Er hätte das unverschämte Gesicht auf die massive Tischplatte, an der der saß, schmettern können, weil er wußte, daß es stimmte, was der Comyn-Welpe sagte.
    Eine quietschende Tür vertrieb den Nebel seiner Träumerei. Er hatte gerade noch Zeit, den Brief mit der Hand zu bedecken, bevor Bruder Thomas, sein früherer Tutor, eintrat. Bruder Thomas entschuldigte sich nicht, denn der Raum gehörte allen.
    »Ah, hier bist du, Bruder Andra. Ich hatte erst gedacht, dich mit den anderen in der Kapelle zu finden. Aber da ich weiß, daß du gern allein betest, war mein nächster Gedanke, dich hier zu suchen.
    Und dank der Gnade der Deduktion habe ich dich hier auch gefunden!«
    Der junge Mann lächelte schwach über das vertraute Stückchen geteilter Blasphemie. »Was gibt es, Thomas? Warum störst du meine Gebete?«
    »Was!« schalt der ältere Mann. »Kein ›Bruder Thomas‹ heute morgen? Was fehlt dem Bruder, daß seine Manieren gegenüber seinen Freunden so zu wünschen übrig lassen? Bin ich also nur der alte Thomas, ein Gegenstand wie die Matte vor deiner Tür? Ich bin schon viel zu abgewetzt, um dazu dienen zu können, wenn ich es überhaupt je gekonnt habe!« Lachend ließ er sich auf die einfache Holzbank fallen, die als Bett, Regal und, im Augenblick, als Abfallhaufen benutzt wurde. »Deine Zelle sieht asketisch aus wie immer, mein unordentlicher Freund.«
    »Darauf kommt es kaum an, Thomas. Weißt du nichts davon?« Er hielt ihm den Brief hin, der in wenigen Augenblicken gelesen war.
    Das Gesicht des alten Mönchs verlor alle gute Laune. Ihm traten die Tränen in die Augen.
    »Nein«, sagte er leise und ein bißchen heiser. »Nein, Bruder, man hat mir nichts gesagt. Möge der heilige Lastenträger solche Weisheit belohnen, wie sie es verdient!«
    Andra war bestürzt, seinen alten Lehrer weinen zu sehen, und bedeckte das Gesicht mit der Hand. »Komm, Thomas«, sagte er so leichthin er konnte, und legte eine Hand auf die in der Kutte steckende Schulter. »Ist das wirklich so schlimm? Erkennst du nicht, daß sie mir Ehre erweisen, wenn sie sagen, ich sei nicht würdig, bei ihnen zu bleiben?«
    »Du vergißt dich«, warnte Bruder Thomas plötzlich ernst und vorwurfsvoll. »Dieser Ort ist mein Leben gewesen, diese Männer sind meine Führer zum Heil! Du beleidigst mich, wenn du diesen Ort beleidigst!« Andra hatte es bei seinem Freund schon mehrmals erlebt: Ein Weh, das er nicht ertragen konnte, verwandelte sich sofort in Zorn und zog sich hinter die konventionellen Phrasen seines vom Dogma erfüllten Lebens zurück.
    »Verzeih mir, Bruder Thomas«, sagte er nicht unfreundlich. »Du weißt, das habe ich nie so

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