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Rote Sonne über Darkover - 5

Rote Sonne über Darkover - 5

Titel: Rote Sonne über Darkover - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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auf die Füße zu kommen. Dann gab der Schneehügel nach, gegen den es drückte, und der Esel rollte die von Steinen übersäte Klippe hinunter. Andra flog unter einem heftigen Ruck nach vorn, fiel aufs Gesicht und schaffte es eben noch rechtzeitig, den Strick loszulassen, bevor er hinter dem unglücklichen Tier in den Abgrund gerissen wurde. Seine Schreie hallten rings um ihn wider, obwohl es bereits tot sein mußte.
    Andra hob sein Gesicht aus dem harten Schneewall. Es brannte. Er führte die Hand an die rechte Wange. Sie war blutüberströmt. Nun setzte er sich auf. Seine Seite schmerzte, und sein Hals tat ihm schrecklich weh. Nach einer Bestandsaufnahme fühlte er sich glücklich, daß keine Knochen gebrochen waren. Doch als er aufzustehen versuchte, ließ sein linker Knöchel ihn im Stich und knickte um, so daß er niederfiel. Muß ihn mir verrenkt haben, als ich versuchte, den Esel zu halten, dachte er. Jetzt bin ich allein auf diesem gottverlassenen Pfad. Ich muß etwas haben, worauf ich mich stützen kann, oder ich werde verhungern, bevor man mich findet. Er sah sich nach Bäumen oder großen Büschen um, aber da waren nur der Schnee, die Felsen und der schlimmer werdende Schmerz.
    Die Nacht begrüßte ihn mit freudlosem Grinsen. Andra hatte sich nur eine halbe Meile weiterschleppen können und hatte an zwei Dutzend Stellen blaue Flecken und blutende Abschürfungen. Immer noch gab es keine Bäume, überhaupt kein Holz irgendeiner Art.
    »Mein Pech«, sagte er laut, »daß dies ausgerechnet auf einem alten Steinschlag passieren mußte. Warum nur habe ich dahinten unter den Bäumen keinen Spazierstock mitgenommen? Es lagen massenhaft abgefallene Äste herum, und ich wußte, daß dieses schwierigere Stück kommen würde!« Die Antwort lag auf der Hand, obwohl er versuchte, sich vor ihr zu drücken: Er hatte, zumindest sich selbst, beweisen wollen, daß er aus festerem Stoff gemacht war, als die alten Mönche gedacht hatten.
    »›Der Mann, der es nötig hat, sich selbst zu beweisen, glaubt nicht an Mannheit.‹ Ich weiß, Vater Almyr. Ich habe es tausendmal gehört!« Es wurde dunkel, und die Temperatur fiel. Andras Fieber dagegen stieg, und er befürchtete, er könne zu delirieren beginnen.
    Trotzdem würde er die innere Flamme anzapfen müssen, wenn er die Nacht überleben wollte. Unter Schmerzen wand er sich aus Mantel und Hose und zog die Stiefel von den Füßen (bei dem linken war es eine Qual). Dann legte er sich mit dem Rücken gegen einen Schneewall und beruhigte seine zuckenden Muskeln und geschundenen Nervenenden. In Gedanken bei Vater Luxor, hörte er wieder die tonlose Stimme. Sein Herz und seine Lungen waren kräftig; er überließ es ihnen, die Fingerspitzen, die Zehen und die rosige Haut zu überwachen und zu ernähren, während er und der gute Vater anderswohin gingen, um zu lauschen.
    Wie immer hörte er in der Stille das freudige Willkommen. Seine Atmung fiel neben dem Puls der Flammen nieder, die aus dem innersten Kern seines Seins aufstiegen. Sie versprachen ihm Freiheit von Schmerz, und er glaubte ihnen über jede Möglichkeit eines Zweifels hinaus. Wie so oft in der Vergangenheit, gab er sich den Flammen hin und war sich undeutlich bewußt, wie Wärme durch seinen stilliegenden Körper schoß, während das Bewußtstein seiner selbst als Einzelwesen zu schmelzen begann. Es gab kein ›Ich‹ mehr, das mit den Flammen ›gegen‹ die betäubende Kälte ankämpfte. Sein Licht, die Glut der Flamme und der Glanz der Kälte waren zu einem einzigen Leuchten geworden, das ihn mit Seligkeit erfüllte. Dies alles nicht wahrnehmend, schritt die Nacht um ihn weiter fort.
    Viele Stunden später kehrte er ins normale Bewußtsein zurück. Sich in dem trüben Licht vor Sonnenaufgang automatisch überprüfend, stellte er fest, daß er einen vollkommenen Erfolg erzielt hatte. Da war keine Spur von Erfrierungen, nicht einmal von Taubheit in seinen Fingern und Zehen, und er fühlte sich wundervoll ausgeruht und belebt. Doch stehen konnte er immer noch nicht. Der Knöchel war schrecklich geschwollen, und es schmerzte, ihn zu berühren.
    »Gesegneter Lastenträger«, rief er aus, »ich habe ihm erlaubt anzuschwellen! Indem ich meinen Körper vor der Kälte schützte, habe ich jede Hoffnung vernichtet, daß es mir gelingen könne, hier hinauszuhinken. Ich kann unmöglich den ganzen Weg nach Thendara kriechen.« Die Ironie der Situation war ihm klar: Bei dieser Kälte und mit zwei Tagen Ruhe hätte der Knöchel

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