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Rote Sonne über Darkover - 5

Rote Sonne über Darkover - 5

Titel: Rote Sonne über Darkover - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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recht gut heilen können, wäre er nicht so versessen darauf gewesen, sein größtes Talent anzuwenden, um sich zu ›retten‹. Mit dem gemurmelten Selbstvorwurf »Alles hat seinen Preis« verzog er das Gesicht. Trotzdem, dachte er, es könnte schlimmer sein. Etwa zwei Meilen voraus ist eine Wegkreuzung; sicher werden einige der Hauptstraßen folgende Reisende diese Route nehmen. Wenn ich nahe genug herankommen kann, um sie anzurufen, werden sie mir aus der Klemme helfen. Es verdroß ihn, daß er nach Nevarsin zurückgebracht werden würde, aber er mußte einräumen, daß diese Demütigung dem Tod durch Kräfteverfall vorzuziehen war. Er zog sich an, so schnell er konnte, biß die Zähne zusammen und begann von neuem, sich unter Schmerzen über die zackigen Steine zu ziehen.
    Es war schlimmer, als er gedacht hatte. Ohne Essen schwanden seine Kräfte schnell. Bei vollem Tageslicht erkannte er, daß er einen hohen Sattel zwischen zwei baumlosen Graten überquerte. Hinter dem zweiten lag, wie er wußte, ein mit Geröll bedeckter Steilhang.
    Als er das letzte Mal dort gewesen war, hatte er in der vollen Kraft seines jungen Körpers wie ein Bergschaf mühelos Sprünge von Felsblock zu Felsblock gemacht. Dem Hang folgte ein kurzer Serpentinenabstieg. Hatte er den überwunden, fand er vielleicht zwischen den Büschen einen Ast von genügender Größe. Falls er es bis dahin schaffte.
    »›Kraft ist, was übrigbleibt, wenn die Muskeln versagen.‹ Jawohl, Brüder. Laßt mir nur Zeit, sie zu finden!«
    Der Abend fand ihn oben an der Geröllstrecke, die dick mit Schnee bedeckt war. Er wagte es nicht, in der Dunkelheit hinunterzuklettern. Außerdem war seine ›Kraft‹ mehr als erschöpft.
    Er konnte nicht mehr denken, er konnte nur noch benommen auf die dunklen, nässenden Schatten an seinem Bein starren. Sein Magen verkrampfte sich heftig und versuchte, seine Leere zu entleeren; Andra sank schwer zurück und wußte von nichts mehr.
    Er gab eher das Bewußtsein auf, wie man ein sinkendes Schiff aufgibt, als daß er willentlich einschlief.
    In dieser Nacht kam er dem Tod sehr nahe. Als er erwachte, erkannte er, daß der Tod ihm einen Besuch gemacht, das Objekt kurz inspiziert und sich mit dem Versprechen, die Bekanntschaft zu erneuern, widerstrebend entfernt hatte. Andra war nicht fähig gewesen, sich gegen die gnadenlose Kälte zu schützen. Seine Glieder waren Eisblöcke, seine Ohren waren gefühllos. Er spürte, wie sein Herz sich abplagte, um das dicke Blut in das sterbende Gewebe zu schicken, das nichts als in Frieden gelassen werden wollte. Er kämpfte gegen die Panik an und schrie auf. Dann überließ er sich einem Tränenausbruch.
    Viel später, als ein kleines bißchen Wärme zurückgekehrt war, versuchte er, seinen Abstieg über den steinigen Hang zu planen.
    Jede Aufgabe kam ihm unmöglicher vor als die letzte. Wie konnte er hoffen, auf den Knien rutschend auch nur bis an den ersten der Geröllwälle zu kommen? Zwar gab es hier und da glatte Strecken, die Oberflächen riesiger Steinbuckel. Aber er brauchte eine Stütze auf seinem Weg, sonst würde er von neuem fallen und diesmal wahrscheinlich nicht wieder aufstehen.
    Er blickte ringsum. Unglaublicherweise war in weniger als zehn Yards Entfernung ein großer Baumast zwischen zwei Felsen eingekeilt. Andra konnte es nicht fassen; immer noch waren weder Bäume noch Büsche in Sicht. Der Ast konnte nur von irgendeinem anderen Reisenden zurückgelassen worden sein, oder aber er war ein Geschenk von einem ungeahnten Ort.
    Seine schmerzenden Beine nachschleppend, erreichte er den Ast und bemerkte, daß er doppelt so lang war wie benötigt, was das Geheimnis, wie er hergekommen war, nur noch vergrößerte. Das dicke Ende saß zwischen den beiden Steinmassen fest. Den Ast mit beiden Händen fassend, gelang es Andra, sich auf einem Fuß aufzurichten, obwohl er durch den Blutandrang zum Knöchel und den Abfluß aus dem Kopf beinahe wieder das Bewußtsein verloren hätte. Als sich die Sicht klärte, auch wenn immer noch Lichtflecken tanzten, riß er mit aller Kraft an dem dünnen Ende des Astes. Er hörte ihn splittern und zog noch einmal. Plötzlich lag er auf einer Felsplatte weiter unten, und seine passend abgebrochene Beute lag neben ihm.
    Das Herrichten des Handgriffs beschäftigte ihn den Rest des Vormittags. Mühsam zog er gebrochene Splitter und Streifen ab, die ihn in die Gefahr bringen konnten, den Stock in einem kritischen Augenblick fallen zu lassen. Die Länge war

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