Rote Sonne über Darkover - 5
schnitt die Lederjacke auf, so behutsam sie konnte. »Göttin! Ist das eine Schweinerei!«
Rafi kam herbei und sah Reba in die glasigen Augen. »Ich glaube, am besten mache ich einen Kräutertee. Das Kind wird ihn nötig haben.«
»Bitte, wenn du schon dabei bist, bring auch noch einen Topf mit Wasser zum Kochen. Ich brauche es, um diese Wunde zu säubern.
Vor lauter Blut sieht man nicht, wie groß der Schaden ist. Hier, hilf mir, sie auf die Seite zu drehen. Leg den Packen hinter sie, damit sie nicht auf mich rollen kann. Danke, Rafi.«
Gemeinsam säuberten sie sorgfältig die Wunde. Dann hockte Camilla sich auf die Fersen. »Rafi, es ist schlimm. Schlimmer als alles, was ich je auf meinen Fahrten gesehen habe. Die Schulter ist so ziemlich zerschmettert. Ich kann sie soweit versorgen, daß es möglich ist, Reba zu transportieren. Aber wenn sie nicht bald zu einer Heilerin kommt, ist die Schulter nichts mehr wert. Willst du sie halten, während ich meine Arbeit tue? Reba, Rafi wird dich halten, und ich renke deine Schulter ein und verbinde sie. Wehre dich nicht gegen Rafi. Sie hilft dir. Es wird weh tun. Verliere das Bewußtsein, wenn du kannst. Dann ist es leichter für dich.«
Camilla machte sich an die Arbeit. Reba unterdrückte den ersten Schrei, aber der zweite entrang sich ihr, als Camillas kräftige Finger ihre Schulter untersuchten. Dankbar überließ sie sich dem Nebel, der sich über ihr Denken legte.
Einige Zeit später drang Camillas Stimme von weither durch die Watte in ihrem Kopf. »Chiya, du mußt versuchen, ein bißchen hiervon zu trinken.«
Reba schüttelte den Kopf. »Kann nicht.«
»Komm, Kind, es wird den Schmerz und das Fieber lindern. Reba, wir müssen reiten und dich zu einer Heilerin bringen. Dieser Tee wird die Reise leichter für dich machen.«
Reba richtete sich mit Mühe auf. »Ich glaube nicht, daß ich auf einem Pferd sitzen kann.«
»Keine Bange, ich werde dich vor mir auf den Sattel nehmen, und du kannst ganz bequem reiten.«
»Meine Tiere, wo sind sie?«
»Rafi hat sie in ihrer Obhut, Chiya, entspanne dich. Wir werden für dich sorgen.«
Reba trank den Tee. Ein sanftes Glühen hüllte sie ein. Ihre Schulter war eher lästig als schmerzhaft. Der weiche Gang von Camillas Pferd schaukelte sie in einen leichten Schlaf. Die drahtige Kraft von Camillas Armen, die sie hielten, gaben ihr ein Gefühl von Sicherheit.
Gelegentlich hielten sie an, um die Pferde zu wechseln, ein bißchen Brühe oder Tee zu trinken. Es mochte Tage oder sogar Wochen gedauert haben, bis sie vor dem großen grauen Steinhaus ankamen.
Reba hatte kein Zeitgefühl mehr. Ihr war, als drängten sich andere Frauen um sie, aber Camilla war immer noch da; sie spürte ihre Arme.
Camilla legte sie auf ein wundervoll weiches Bett. Im Hintergrund sprachen leise Stimmen. »Du hast Glück: Ferrika ist zu einem Besuch da, sie ist fähig, diese Schulter zusammenzuflicken …
Camilla, geh zu Bett, bevor du umfällst … In der Küche ist warmes Essen. Beeile dich lieber, wenn du nicht willst, daß Rafi alles verschlingt … Wer ist dieser Donal draußen auf der Eingangstreppe? … Er verlangt immerzu, Camilla zu sprechen …
Erstaunlich, in zwei Tagen! Er muß ohne Unterbrechung geritten sein …« Das Gemurmel wich zurück; Reba schlief ein.
Müde kam Camilla in die Küche des Thendara-Hauses. Rafi hieb in eine Schüssel mit heißem Haferbrei und Honig ein. In einem Korb lag Brot, das noch warm vom Backofen war. Camilla nahm sich ein Brötchen und ließ sich auf die Bank niedersinken. »Wie geht es Reba?« erkundigte Rafi sich.
»Sie schläft wie ein Baby«, versicherte Camilla ihr. »Wir haben nach Ferrika geschickt, und Marisela wird ihr assistieren. Beide gemeinsam werden Rebas Schulter bestimmt wieder in Ordnung bringen.«
Als sie gegessen hatte, meinte Camilla: »Es ist Zeit, daß du und ich etwas Schlaf bekommen. Ich habe Donal mit dem Versprechen nach Hause geschickt, ihm Nachricht zu geben, wenn die Heilerinnen mit ihrer Arbeit fertig sind.«
Versuchsweise löste sich Reba aus ihrem Schlaf. Die Schulter pochte nur ein bißchen, wenn sie sie bewegte. Sie öffnete die Augen und sah Camilla neben dem Bett auf einem Stuhl sitzen und eine zerrissene Jacke flicken.
»Ah, du bist wach«, lächelte Camilla. »Die Küche hat warme Brühe für dich. Ich werde sie holen.«
Schnell kehrte Camilla mit der Brühe zurück und hielt Reba die Tasse zum Trinken hin.
»Wo sind wir?« fragte Reba und sah sich im Zimmer
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