Rote Sonne über Darkover - 5
wenn es Euch genehm ist. Falls Ihr immer noch mit dem Verwalter zu tun habt, bittet er Euch, eine Zeit zu nennen, zu der Ihr ihn aufsuchen könnt.«
»Ich gehe sofort zu ihm«, antwortete Danilo verwundert. »Wo finde ich ihn?«
»Im Musikzimmer, Lord Danilo.«
Wo auch sonst? In diesem Raum verbrachte Dyan viel seiner Zeit.
Wie eine große Spinne im Mittelpunkt ihres Netzes, und wir sind alle in seinem Schatten.
Dyan, Lord Ardais, war Danilos Onkel. Danilos Mutter war die illegitime Tochter von Dyans Vater gewesen, der viele Bastarde gezeugt hatte. Dyans einziger Sohn war während seines Aufenthalts im Nevarsin-Kloster bei einem Steinschlag ums Leben gekommen.
Als sich herausstellte, das Danilo das Laran der Ardais-Domäne besaß, die Gabe der Katalysator-Telepathie, die man schon für ausgestorben gehalten hatte, adoptierte der kinderlose Dyan ihn als seinen Erben.
Jetzt war Danilo seit mehr als einem Jahr in Ardais, und Dyan Ardais hatte sich als großzügig wie auch als streng erwiesen. Er hatte Danilo alles gegeben, was ihm in seiner Stellung als Ardais-Erben zustand, von passender Kleidung bis zu passenden Pferden und Falken, hatte ihn zu einer vorläufigen Ausbildung in der Benutzung seines Laran in einen Turm geschickt - zu einer gründlicheren Ausbildung, als Dyan selbst gewollt hatte - und ihn in allen Künsten unterweisen lassen, die einem Edelmann gut anstehen: Kalligraphie, Rechnen, Musik, Zeichnen, Fechten, Tanzen und Schwertfechten. In der Musik hatte er ihn selbst unterrichtet, auch ein bißchen im Kartenzeichnen, in den Heilkünsten und in der Medizin.
Er war auch großzügig gegenüber Danilos Vater gewesen, hatte ihm Zuchttiere, landwirtschaftliche Arbeiter und andere Dienstboten geschickt, dazu einen fähigen Verwalter, der auf Syrtis die Geschäfte führte und für den alternden Dom Felix das Leben angenehm machen sollte. »Dein Platz ist auf Ardais«, hatte Dyan gesagt, »wo du dich auf die Regentschaft von Ardais vorbereiten kannst. Denn selbst wenn ich eines Tages einen zweiten Sohn haben sollte - und das ist nicht völlig unmöglich, wenn auch unwahrscheinlich -, ist es noch unwahrscheinlicher, daß ich lange genug leben werde, um diesen Sohn zum Mann heranwachsen zu sehen. Es könnte notwendig sein, daß du viele Jahre die Regentschaft für ihn übernimmst. Aber dein eigenes väterliches Erbteil darf nicht vernachlässigt werden«, erklärte er und sorgte dafür, daß es dem Syrtis-Besitz an nichts mangelte, was er zur Verfügung stellen konnte.
Als Danilo sich der Tür des Musikzimmers näherte, streifte ein schlanker junger Mann, hellhaarig und von katzenhafter Anmut, ohne ein Wort an ihm vorbei. Aber er sandte einen scharfen Blick voller Bosheit zu Danilo hinüber.
Was ist denn jetzt passiert, daß er so mißgestimmt ist? War der Herr barsch zu seinem Günstling ?
Danilo mochte Julian nicht, der Dyans Haus- Laranzu war, aber was kümmerten ihn Dyans Favoriten? Auch Dyans Liebesleben ging ihn nichts an. Im Grunde mußte er Julian dankbar sein, dachte Danilo. Die Anwesenheit des jungen Laranzu hatte sämtlichen Hausbewohnern klargemacht, daß ein gewaltiger Unterschied darin bestand, wie Dyan den jungen Mann behandelte, der sein Pflegesohn und Mündel war, und wie seinen Lustknaben. Danilo selbst hatte keinen Grund zur Klage. Bevor Dyan von Danilos Abstammung und seiner Ardais-Gabe erfuhr - Danilo war damals eines der ärmsten Mitglieder des Kadettenkorps gewesen -, hatte Dyan versucht, ihn zu verführen, und als Danilo sich angewidert weigerte, hatte Dyan sich darauf verlegt, ihn zu verfolgen und zu schikanieren. Danilo war Cristoforo , und nach diesem Glauben war es eine Schande, ein Liebhaber von Männern zu sein. Aber nicht ein einziges Mal hatte Dyan in dem Jahr, nachdem er ihn als Erben adoptiert hatte, sich anders mit Wort und Geste an Danilo gerichtet, als es zwischen Mündel und Vormund schicklich gewesen wäre.
Doch der Schatten dessen, was einmal zwischen ihnen gewesen war, lag schwer über Danilo. Er hatte Dyan verziehen, wie er meinte, und trotzdem überkam ihn in Dyans Gegenwart immer eine gewisse Befangenheit.
Soviel er wußte, hatte er nichts getan, was seinem Vormund hätte mißfallen können. Aber es war noch nie vorgekommen, daß Dyan ihn zu dieser Stunde zu sich rief. Normalerweise trafen sie nur bei den Abendmahlzeiten zusammen und verbrachten danach eine Stunde voller Förmlichkeit im Musikzimmer. Manchmal spielte Dyan ihm etwas auf den verschiedenen
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